Frieden und Versöhnung

Frieden und Versöhnung
20.12.2014 - 23:35

Ich habe Ihnen ein kleines Licht mitgebracht. Nicht auf einem schmucken Adventskranz oder Weihnachtsgesteck, sondern in einer blechernen Sturmlaterne. Und die braucht es auch. Denn dieses Licht hat eine abenteuerliche Reise hinter sich. Es kommt aus einer der gefährlichsten Ecken der Welt zu uns. Aus einer Region, in der immer wieder Sprengsätze hochgehen und Raketen einschlagen.

 

Dieses Licht ist in einer Kleinstadt im Westjordanland entzündet worden. Nicht weit weg von der großen Mauer, die sich schneidend zwischen Israelis und Palästinenser schiebt. Das Licht stammt aus Bethlehem. Ein kleiner Junge hat es an genau der Stelle entzündet, an der Menschen seit Jahrhunderten der Geburt des Jesus von Nazareth gedenken.

 

Das "Friedenslicht aus Bethlehem" wird es genannt, weil es ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung sein will in einer Zeit, in der wenig von Frieden und Versöhnung zu spüren ist. Und eine Erinnerung daran, dass Weihnachten kein Fest für Träumer und Romantiker ist, sondern ein Fest, das mit den Realitäten dieser Welt zu tun hat.

 

Betlehem, das ist kein Ort, an dem ein "holder Knabe im lockigen Haar" geboren wurde. Das ist – damals wie heute – ein Ort, der auf irritierende Weise an die Brüchigkeit und Abgründigkeit unserer Welt erinnert, den Unfrieden und die Unversöhntheit, die dort und an vielen anderen Orten der Welt zu spüren sind.

 

Was aber bewirkt dann den Frieden, für den dieses Licht ein Zeichen sein will? – Zum Beispiel, dass in diesen Tagen Tausende von jungen Pfadfinderinnen und Pfadfindern Lichterstafetten organisieren, um dieses Friedenslicht zu möglichst vielen Menschen zu bringen. So ist es schon in der Ukraine und in Russland angekommen, im Europaparlament in Straßburg, im Verteidigungs- und Innenministerium, in Kirchengemeinden, Moscheen und Synagogen, in Krankenhäusern, Gefängnissen und in Flüchtlingsheimen.

 

Und bei jeder einzelnen Übergabe des Lichtes: ein kurzer Moment des Innehaltens und der Besinnung. Nach welchem Frieden sehne ich mich? Und: Wo kann ich einen konkreten Beitrag der Versöhnung leisten?

 

Ist es naiv zu glauben, dass auf einem solchen Weg der ersehnte Frieden zu uns kommt? Ich glaube, es ist der einzig gangbare Weg. Denn Frieden wird es nicht geben ohne Begegnung. Ohne dass zwei Menschen einander in die Augen schauen, ein Zeichen setzen und einen konkreten Schritt der Versöhnung gehen, mag er auf den ersten Blick auch noch so einfach und bescheiden sein.

 

Mir jedenfalls scheint das, was die Pfadfinderinnen und Pfadfinder da gerade mit dem "Friedenslicht aus Bethlehem"auf den Weg bringen, weit mehr dem Frieden in der Welt zu dienen, als das, was sich so mancher Wutbürger mit einfach gestrickten Parolen vom Leibe schreit. Und es scheint mir auch näher an dem zu sein, was dieser Jesus vorgelebt hat, dessen Geburtsfest sich nun wieder jährt.

 

Ein kleines, schnell ins Flackern zu bringendes Licht. Und zugleich ein großartiges Zeichen des Friedens, nach dem sich doch alle Menschen guten Willens sehnen. Ich vermute, es gibt auch in Ihrer Nähe die Möglichkeit, ein solches Friedenslicht zu bekommen und an einen anderen Menschen weiterzugeben. – In jedem Fall wünsche ich Ihnen ein friedvolles und versöhntes Weihnachtsfest.