Nicht alles schaffen!
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23.05.2022 06:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Unser Förster hatte einen Burnout und musste für ein paar Wochen in die Klinik. Er sagt: Sein kranker Wald habe ihn krank gemacht. Trockenheit, Borkenkäfer und Pilze haben die Bäume angegriffen, mehr als 70 Prozent sind nicht mehr zu retten. Wenn der Förster erzählt, spürt man, wie sehr er seinen riesigen Wald liebt. Und wie sehr es ihm zu schaffen macht, dass der so krank ist. Die Bäume sterben an der Hitze. Und der Förster, der für sie sorgt, erleidet einen Burn-Out.

Ich fühle mit dem engagierten Waldhüter. Schließlich arbeite ich für eine Kirche, die gerade auch schwierige Zeiten zu überstehen hat. Viele Menschen wenden sich ab, als engagierte Pfarrerin schmerzt mich das sehr. Und nicht nur mich. Ich weiß, dass sehr viele Frauen und Männer mit Herzblut dabei sind und fast daran verzweifeln, wenn ein neuer Skandal sinnvollen Einsatz zerstört. Es ist leider so: Viele engagierte Menschen kennen das Phänomen Erschöpfung und Burn Out. Menschen wie der Förster, aber besonders auch Menschen in sozialen Berufen oder im Ehrenamt.

Deshalb hat es mich interessiert, wie der Förster einen Weg aus seinem Burnout heraus gefunden hat. Ich bin demütig geworden, erzählt der Mann. Demut, das klingt ungewöhnlich aus dem Mund eines Försters. Der Begriff scheint doch eher in den spirituellen oder philosophischen Bereich zu passen. Tatsächlich ist Demut auch eine christliche Tugend. Der Förster erklärt weiter: Nicht gleichgültig, sondern demütig. Er sieht jetzt seine Grenzen. Es ist also nicht so, dass seine Arbeit ihn abgestumpft hat. Seine Demut hilft ihm, seine eigenen Grenzen zu akzeptieren. Statt an der Größe oder der Unmöglichkeit seiner Aufgabe zu verzweifeln: er tut das, was er kann. Und leitet auch sein Team an, so zu denken. Was sie tun, tun sie nach wie vor leidenschaftlich und gern, doch sie bürden sich nicht mehr alle Last auf. Ich habe mich verändert, erzählt der Förster. Früher war ich 24 Stunden Förster, auch in der Freizeit sind alle meine Gedanken um den Wald gekreist. Jetzt mache ich, was ich kann, und versuche nach Feierabend, den Kopf freizukriegen.

Der Mann hat seine Haltung verändert, und das rettet ihn selbst und genauso seine Arbeit am Wald. Ich denke, das ist ein wichtiger Hinweis für alle engagierten Menschen: Inseln am Tag zu schaffen, die frei sind von Arbeit, Ruhephasen, in denen ich wieder zu mir finden kann, kreative Auszeiten, in denen neue Ideen geboren werden. Oder in denen einfach gar nichts passiert. Auch das muss immer wieder sein dürfen.

Unserem Förster hilft aber auch sein eigener Wald! Der Wald rettet den, der sich so um ihn sorgt! Der Förster erzählt von den Wundern im Wald, die ihn stärken. Es ist ein Wunder zu sehen, wie die Natur immer wieder neu beginnt. Er staunt darüber, wenn mitten aus einem Brombeergestrüpp eine junge Eiche herausragt, oder aus einer Buchecker ein neuer Baum entsteht. Und: er geht barfuß über den Waldboden. Spürt, wie der Wald ihm Kraft schenkt. Unter toten Bäumen wachsen junge Buchen, die hoffentlich besser mit den geänderten Klimaverhältnissen auskommen. Die Natur findet angesichts der Bedrohung ihre eigenen Wege. Das entbindet die Menschen nicht davon, sich entschieden für ein Umdenken einzusetzen und wertschätzend mit der Schöpfung umzugehen. Kranke Bäume betreffen mich genauso wie den Förster. Gleichgültigkeit lässt sterben und sieht dem Sterben zu. Die Demut sucht nach dem, was jede und jeder persönlich beitragen kann, ohne selbst zu zerbrechen. Die Demut kann auch staunen über das Wunder der Schöpfung, das sich in jedem Frühling neu entfaltet.

Bei meinem nächsten Waldspaziergang werde ich an die Weisheit des Försters denken. Und überlegen, wie ich meine persönlichen und beruflichen Aufgaben demütig angehen kann. Ich kann nicht alles schaffen, ich muss es auch nicht. Dafür kann ich mir viel schenken lassen. Vom Wald – und auch von der Kirche. Und – wer weiß – vielleicht sollte ich mal versuchen, wie es sich anfühlt, mit nackten Füßen über den Boden eines Frühlingswaldes zu gehen. Und – wer weiß, auch einmal über den Steinboden einer alten Dorfkirche. Warum eigentlich nicht?

Es gilt das gesprochene Wort.