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Die Sendung zum Nachlesen:
In den freien Tagen nach Neujahr räume ich das Haus auf. Das ist bei mir zum allneujährlichen Ritual geworden. Bei mir findet der Frühjahrsputz bereits im Januar statt. Neues Jahr, frischer Wind ins Haus und sauber duftende Schränke und glänzende Böden - ohne Tannennadeln, bitte. Auch wenn alter Brauch den Tannenbaum bis Mariä Lichtmess Anfang Februar stehen lässt: Mir gehen staubige Zweige spätestens nach dem 1. Januar auf den Nerv. Die ersten Sonnenstrahlen machen mir unmissverständlich klar: Die Fenster haben´s nötig und die Weihnachtsdeko muss in den Schuppen. Klar Schiff machen, Überflüssiges wegwerfen und das einordnen, was längst schon eingeordnet werden musste. Hinter den Büchern hat sich Staub angesammelt, der muss weg. Meistens brauche ich dafür fast eine ganze Woche. Und dann: ein tiefer zufriedener Seufzer: jetzt kann das Neue Jahr beginnen!
Mit dem inneren Haus ist das genauso. Da hat sich in der einen Ecke Groll angesammelt, der langsam vor sich hinmodert. In der Besenkammer sind uneingestandene Sehnsüchte eingesperrt. Die trommeln nun schon länger gegen die Tür. "Wir wollen raus!" Wohin gerade mit diesen Störenfrieden? Und mitten im Wohnzimmer liegt alles herum, was dringend bereinigt werden müsste: Ein Gespräch in der Familie, der Streit mit der Freundin, der Ärger mit den Arbeitskolleginnen und -kollegen. Manchmal ist schon ein klärendes Wort wie frische Luft, die die Atmosphäre reinigt. Manchmal müssen Beziehungen auch aufpoliert werden. Manchmal ist es wichtig, zu vergeben. Wenn es um zentrale Dinge geht, wenn ich schuldig geworden bin, an mir, an anderen Menschen, vor Gott – dann möchte ich nicht vor Kummer darüber innerlich düster werden wie ein ungeputztes Fenster. Ich sehne mich nach Klarheit, nach einem Neuanfang. Manchmal tut auch eine Trennung gut. Wenn eine Freundschaft sich überlebt hat, wenn zwei Menschen sich nichts mehr zu sagen haben, dann kann es erleichternd sein, sich das auch einzugestehen. Vieles sieht gar nicht mehr so schlimm aus, wenn es aus der Abstellkammer herausgeholt wird, in der ich es verstaut hatte - aus lauter Angst, genauer hinzuschauen.
Ich persönlich schätze es, das innere Aufräumen gemeinsam anzugehen. Ein langer Spaziergang mit einer Freundin kann so gut tun. Wenn es um berufliche Dinge geht, nutzt eine Supervision oder ein Coaching. Doch einmal im Jahr muss es tiefer gehen. Dann absolviere ich Exerzitien und schweige für mehrere Tage. Interessanterweise sind Exerzitien gerade nicht von Aktion geprägt, so wie ein Frühjahrsputz. Da muss kein Besen geschwungen werden und kein Staubwedel fegt durchs Haus. Trotzdem ereignet sich Reinigendes. Im Schweigen wird mir vieles klar. Sogar das, wofür ich mich schäme, was ich mir selbst kaum eingestehen mag, darf geregelt werden. Offen angesehen verliert es viel von seinem bedrohlichen Gesicht. Ich sortiere mein Leben. Mit einer Idee, einer plötzlichen inneren Klarheit über eine Frage, die mich bewegt, geht es dann zurück.
Nicht jeder hat die Gelegenheit, sich für mehrere Tage aus dem Alltagsgeschäft auszuklinken. Doch ein spirituelles Aufräumen geht auch in heimischen Gefilden. Ein mehrstündiger schweigender Gang durch den Wald kann der Seele Ruhe und Raum schenken. So kann sich vieles klären, etwa, was man eigentlich will. Das ist manchmal gar nicht so leicht zu erkennen im Wust der Alltags-Ansprüche. Oder wenn die eigenen Gedanken im Kopf ununterbrochen und verwirrend plappern, so dass man gar nicht klarsehen kann. Ich finde: So gebe ich Gott Gelegenheit, in mir zu Wort zu kommen, mit einem überraschenden Einfall, vielleicht mit einem Bibelwort, das mir zur inneren Orientierung hilft.
Nach so einem inneren und äußeren Frühjahrsputz fühle ich mich richtig gut, erfrischt wie ein gelüftetes, sauberes Zimmer. Die Fenster lassen neues Licht herein. Meine Seele spürt neue Energie. Genug, um das Neue Jahr fröhlich anzugehen.
Es gilt das gesprochene Wort.