Morgenandacht
Gemeinfrei via Unsplash/ weston m
60 Jahre “The Times They Are a-Changin’ ”
Morgenandacht von Pastor Oliver Vorwald
23.10.2023 06:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Der Mundharmonikahalter liegt wie Joch auf seinem Nacken. Dazu diese tänzelnde Melodie auf der Gitarre; aber keine Band. Bob Dylan allein, ausgesondert wie ein biblischer Prophet. Genau den sehen viele Menschen in dem damals 22-jährigen Musiker. Seine Texte bieten genügend Anhaltspunkte. Am 23. und 24. Oktober 1963 nimmt Bob Dylan „The Times They are a-Changin‘ auf | Die Zeiten, sie ändern sich“. Fünf Strophen, gespickt mit biblischen Anspielungen, Jesusworte, die Geschichte von der Sintflut. Der Künstler und Aktivist singt wütend, zornig. 60 Jahre her, aber irgendwie brandaktuell. Wieder Zeiten des Wandels. Alles fließt, das macht unsicher…

„Sammelt euch, Leute, wo immer ihr auch seid. Und gesteht euch ein, die Wasser steigen. Begreift endlich, dass ihr bald nass bis auf die Knochen werdet. Dann solltet ihr schwimmen oder ihr versinkt wie ein Stein.“

„Die Zeiten ändern sich“ vor 60 Jahren tatsächlich in USA. Im August 1963 findet der „Marsch auf Washington für Arbeit und Freiheit“ statt. Martin Luther King predigt seinen Traum: Der Bürgerrechtler beschreibt, wer sie sein könnten. Eine Gesellschaft ohne Klassenschranken, ohne Diskriminierung. Alle gleich geschaffen, so wie die Unabhängigkeitserklärung es sagt, dieses Gründungsdokument eines freien Amerika. 250 Tausend hören zu, schwarz und weiß Hand in Hand. Protestanten, Katholiken, Juden, Hindus, Muslime. Zwischen den Reden Musik. Mahalia Jackson singt, Joan Baez, Peter, Paul and Mary – und Bob Dylan. Diese Ereignisse bilden den Hintergrund für seine Hymne des Wandels: „The Times They are a-Changin‘“. Sie saugt alles auf, die Atmosphäre dessen, was da geschieht und heranrollt. Jedenfalls klingt das Lied danach. Es gibt den Protesten, der Gefühlslage eine Stimme. Bob Dylan singt von einer Jugend, welche die Werte der Elterngeneration radikal in Frage stellt. So wie das im Grunde jede Jugend macht. „Mütter, Väter im ganzen Land. Kritisiert nicht, was ihr nicht versteht. Ihr könnt nicht länger über eure Söhne und Töchter bestimmen.“

Auch heute geht die junge Generation wieder auf die Straßen, keine hunderttausend wie damals, aber nicht weniger fest entschlossen. Die Älteren haben für manche Protestformen kein Verständnis, zu radikal oder schlicht, zu banal, so das Urteil. Bob Dylan rät in seiner Hymne des Wandels kein schnelles Urteil zu sprechen. Türen nicht zu versperren. Er predigt weite Herzen, offene Augen für das, was gerade geschieht. So einfach diese Worte klingen, sie bleiben herausfordernd. Doch Wandel will gemeinsam gestaltet werden.

Bei aller Wut, die in diesen Zeilen und der Stimme von Bob Dylan liegt, da ist noch mehr: Da sind die biblischen Bezüge, ihr Gewicht. Durch sie bleibt der Protestsong nicht in der Klage stecken, er wächst über sich hinaus. Es wird sich etwas ändern, zum Guten, so der Tenor. Die Songstruktur von „The Times They are a-Changin‘ prägen Gegensätze – ähnlich wie im Lobgesang Marias. Mächtige stürzen, Letzte werden zu Ersten, die einstigen Verlierer sind später die Gewinner, singt Bob Dylan. Solche Verweise sind mehr als das dichterische Spiel mit der Prophetie des Alten und Neuen Testaments. Die biblischen Bezüge stärken die alte, immer neue Hoffnung in Zeiten des Wandels. Gott wirkt, auch wenn dieses Wirken nicht immer zu erkennen ist. Gott lässt diese Welt nicht aus dem Blick.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

Literaturangaben:

  1.  P.Margotin / J.-M.Guesdon, Bob Dylan. Alle Songs. Die Geschichten hinter den Tracks, S.82-89.
  2. P.Wicke, Bob Dylan. The Times They Are A-Changin’: Songlexikon.de https://songlexikon.de/songs/timestheyaredylan/.
  3. “All men are created equal”. Quelle: Declaration of Independence, In Congress, July 4, 1776. https://www.archives.gov/founding-docs/declaration-transcript.

Musikangaben:

  1. Bob Dylan: The Times They Are a-Changin’.