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Hirayama heißt er und er ist so etwas wie mein stiller Begleiter geworden. Ich habe ihn vor vier Monaten kennengelernt. Im Kino. Hirayama ist eine Filmfigur von Wim Wenders. „Perfect Days“ heißt der Film. Er spielt in Japan, in Tokio. Dort arbeitet Hirayama als Toilettenputzer. Tokios öffentliche Toiletten sind kunstvoll, hell, ästhetisch, von berühmten Architektinnen und Architekten entworfen.
Und Hirayama pflegt sie. Und zwar auf eine besonders gründliche, wahrhaftige Weise. So geht er auch mit allem anderen in seinem Alltag um. Ich bin tief berührt. Dieser Film heiligt das ganz alltägliche Leben. Himmel hautnah.
Am Ende der Vorführung im Kino ziehe ich meinen Mantel wieder an, gehe ins Freie und sage zu meinem Mann: „Diesen Film schaue ich mir jetzt bis zu meinem Lebensende einmal pro Woche an. Mehr brauche ich nicht, um gesund und glücklich alt zu werden.“
Ich war beseelt und bin es bis heute. Auch wenn ich „Perfect Days“ seitdem erst ein weiteres Mal gesehen habe, Hirayama begleitet mich.
Er lebt ein ruhiges Leben, unaufgeregt. Die Tage gleichen einander. Alles ist sehr überschaubar. Jeder Handgriff geschieht selbstverständlich, seelenruhig, konzentriert. Zähne putzen, das Bett richten, die Pflanzen gießen, den Hausschlüssel in die Hand nehmen, im Auto die Musikcassette einlegen. Essen. Toiletten putzen. Fotos machen und sortieren. Am Abend lesen. Jeder Wochentag scheint wie ein langes Gedicht. Alles wiederholt sich. Und Hirayama wirkt dabei wach und klar, nie gelangweilt.
Besonders eingeprägt hat sich mir in diesem Film der Himmel. Wenn Hirayama früh das Haus verlässt, schaut er in den Himmel. Jeden Morgen. Und auch untertags immer wieder. Und lächelt. Es geht da nicht ums Wetter. Es ist der Himmel selbst. Der steht verlässlich über der großen Stadt mit ihren vollen Straßen, den hohen Häusern und den Parks. Er schimmert zwischen den Bäumen durchs Blattwerk. Jeden Tag fotografiert Hirayama diesen Blick in den Blätter-Himmel. Und auch beim Autofahren, im Stau, wenn alles irgendwie grau ist, zeigt sich der Himmel durch die Autoscheiben. Und Hirayama schaut hin.
Für mich sieht das aus wie ein Vergewissern. Hier ich – da der Himmel. Immer da. Ich bin nicht allein. Da ist etwas Weiteres über mir. So kann ich meine Enge leben. Und – in ihr das Schöne, Weite, Tiefe entdecken. Und lieben.
Mich am Himmel festmachen, andocken, orientieren - so kann man dieses ganze verrückte, unperfekte und oft schwere Leben auf der Erde leben.
Es gilt das gesprochene Wort.