Die Tage im späten November sind ein Lernweg: Leben im Hier und Jetzt und dabei wissen: Leben ist zerbrechlich und meine Zeit begrenzt.
Sendung zum Nachlesen
Gestern wurden die Namen verlesen, so ist es Tradition in den evangelischen Gemeinden. Wer verstorben ist im Kirchenjahr, alle werden noch einmal ins Gebet genommen. Die Gräber wer-den zurecht gemacht, und die Angehörigen gehen die schweren Wege noch einmal ab, die sie in den vergangenen Wochen und Monaten gegangen sind. Abschied schmerzt. Scheiden tut weh.
Diese Tage im späten November empfinde ich als Lernweg. Leben im Hier und Jetzt und dabei wissen: Leben ist zerbrechlich und meine Zeit begrenzt. Das Wissen, das ich einmal sterben werde, soll mich klug machen. Die Alten sagten früher dazu: Das Haus bestellen. Vorbereitet sein. Möglichst alles geklärt haben, mit mir selbst, mit meinen Lieben und mit Gott.
Die Kölner Dichterin Carola Moosbach hat dieser Weisheit ein Gedicht gewidmet. "Herbstfar-ben" heißt es. Carola Moosbach schreibt:
Die Tage werden jetzt blasser
Ein mattes Glänzen unter fahlem Licht
Schön welken die Früchte meines Lebens
Die Dichterin antwortet damit auf ein Musikwerk, das diese Novemberstimmung in ihrer geistli-chen Tiefe in Klang bringt. "Actus tragicus" hat Johann Sebastian Bach eine seiner innigsten Kantaten benannt. Bach war gerade mal 22 Jahre alt. Der junge Mann hatte offenbar alles ver-standen, und manche sagen: Er hat noch so viel Großes komponieren können, Größeres als den "Actus tragicus" aber nicht. "Bestelle dein Haus", heißt es darin. "Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen." Carola Moosbach nimmt das in ihrem Gedicht auf:
Auch ich werde sterben unentrinnbar
Ein runzliger Fraß für die Würmer
Untergepflügt was ich war
"Poetische Kommentare zu Bachs Kantaten" nennt Carola Moosbach ihren Gedichtband. Sie tas-tet dem Klang und der Botschaft der Musik entlang mit ihren eigenen Worten. Der "Actus tragi-cus" bleibt nicht an der Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit stehen. Und so glimmt auch im kommentierenden Gedicht ein Hoffnungsschimmer auf.
Es bleibt…
…dass da etwas bleibt, wo scheinbar alles vergeht.
Es bleibt
Die verrückte Hoffnung auf etwas
Ewiges hinter dem Nebelgrauen
Auf ein Wehen von Frühlingslüften
Um den Winter meines Todes
Eine verrückte Hoffnung. Mehr nicht. Dass etwas Ewiges ist hinter dem Nebel und hinter der Angst. Eine Ahnung von Frühling, der da kommen mag, auch wenn er gerade nicht zu fühlen ist. Eine verrückte Hoffnung…
Es gilt das gesprochene Wort.
Literatur zur Sendung:
(1) Carola Moosbach: Bereitet die Wege. Poetische Kommentare zu Bachs geistlichen Kantaten. 2012, Strube Verlag München.
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