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Frieden ist eine Zumutung. Das zeigen Arafat, Rabin und Peres, die 1994 für ihr Ringen um Frieden den Nobelpreis bekamen.
Friedensstreiter
Heute wird verkündet, wer den Friedensnobelpreis 2025 bekommt
10.10.2025 06:35

Frieden ist eine Zumutung. Das zeigen Arafat, Rabin und Peres, die 1994 für ihr Ringen um Frieden den Nobelpreis bekamen.

 

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Sie waren Erzfeinde, dann Friedensnobelpreisträger. In diesen Tagen schaue ich immer wieder auf das Foto vom Herbst 1993. Darauf reichen Yitzhak Rabin, Israels damaliger Ministerpräsident, und Palästinenserchef Jassir Arafat einander die Hände. Links der einstige General, der während des israelischen Unabhängigkeitskriegs auch für die Vertreibung von Palästinensern verantwortlich war. Und rechts der Vorsitzende der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, die zahlreiche Terroranschläge verübt hat.

Entstanden ist das Bild im Zuge der Osloer Abkommen. Ein Friedensprozess, der den Weg für eine Zwei-Staaten-Lösung ebnen sollte. 1994 bekamen deshalb Arafat und Rabin gemeinsam mit Shimon Peres den Friedensnobelpreis. Das hat mich gerührt: Frieden schien möglich auf diesem Fleckchen Erde, das so vielen Menschen als heilig gilt.

Heute wird veröffentlicht, wer dieses Jahr den Friedensnobelpreis bekommt. Im Lauf des Vormittags wird das Nobelkomitee in Oslo den oder die Preisträger verkünden. Das können Persönlichkeiten sein oder Organisationen.

Der Stifter Alfred Nobel hat verfügt: Der Friedensnobelpreis soll an denjenigen gehen, der "am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt hat".*

Schwerter zu Pflugscharen; selig sind, die Frieden stiften. So ließe sich das mit biblischen Worten wiedergeben. Aktuell geschieht das Gegenteil. Mehr Waffen, größere Heere. Die Bundeswehr soll aufgestockt werden.** Und ich finde das richtig. Ich persönlich, konfirmiert auf eben diesen Bibelvers "Selig sind, die Frieden stiften" und Kriegsdienstverweigerer.

Was überwunden galt, wiederholt sich: Der Krieg in Europa. Russland attackiert täglich die Ukraine und testet aus, wie verteidigungsfähig die Länder Europas sind. Es geht um Solidarität mit den europäischen Nachbarn, um Abschreckung. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Noch etwas ist mir wichtig. Es darf nicht nur von Verteidigung und Militär die Rede sein. Wir müssen auch die Friedenskraft stärken. Zum Beispiel Friedensbildung an Schulen als Teil des Unterrichts. Man kann lernen, welche Methoden helfen, Konflikte zu entschärfen. Frieden denken, lehren, leben. Völkerverständigung, Abrüstung, Friedenskongresse, wie es Alfred Nobel in seinem Testament beschrieben hat.

Jesus skizziert in seiner Bergpredigt Wegmarken für diesen Prozess. Betet für eure Feinde. Haltet auch die andere Wange hin. Wer diese Worte hört, empfindet sie wahrscheinlich als Zumutung. Sie fordern auf, ins Risiko zu gehen, Friedensstreiter zu sein.

In der Laudatio des Nobel-Komitees für Arafat, Rabin und Peres heißt es: "Die Preisträger sind das Risiko eingegangen, in einer von Krieg und Hass geprägten Zeit einander zu vertrauen ... Frieden muss immer wieder neu errungen werden. ... Das erfordert großen Mut."** Das wird damals keinem leichtgefallen sein, so viel Terror, Krieg und Unterdrückung waren geschehen.

Dennoch versprachen die Israelis mit den Osloer Abkommen: Sie ziehen sich aus dem Gazastreifen und dem Westjordanland zurück. Und die Palästinenser sagten zu: Sie verzichten für ihre politischen Ziele auf Gewalt. Beide erkannten das Existenzrecht des anderen an. Dieser Friedensprozess ist Ende der 1990er Jahre ins Stocken geraten. Er bleibt trotzdem beispielhaft.

Was wir einander angetan haben, soll nicht mehr unsere Zukunft bestimmen. So verstehe ich das Foto mit Rabin und Arafat im Herbst 1993. Dieser Handschlag ist damals gelungen, weil es engagierte Vermittler aus der Weltgemeinschaft gab. Ägypten, die USA, Norwegen. Sie haben beiden Seiten genau zugehört. Die Konfliktbeteiligten selbst, Arafat, Peres und Rabin, sind über die langen Schatten der Geschichte gesprungen. Sie haben die Frage, wer angefangen hat, nicht in den Mittelpunkt gestellt.

Das beeindruckt mich nach wie vor: Dieser Mut, sich selbst etwas abzuverlangen und nach vorne zu schauen. Der Mut zum Frieden ist eine Zumutung. Nicht umsonst steckt das Wort Mut mittendrin.

Wem auch immer der Friedensnobelpreis heute zugesprochen wird, dem oder denen wünsche ich solchen Mut. Unsere Zeit braucht Friedensstreiter.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

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