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Die Sendung zum Nachlesen:
„Gibt es ein Recht auf Zukunft?“ – Unter den Kritikern, die eine nachlässige Klimapolitik anprangern, ragen junge Menschen heraus. In verschiedenen Gruppierungen haben sie sich organisiert und drücken ihren Protest aus. Angefangen hatte es mit der Aktion Fridays for future. Schülerinnen und Schüler sind es, die freitags den Unterricht in der Schule boykottierten und in großen Demonstrationen ihren Unmut zeigen. Schon das Motto Fridays for future verdeutlicht: es geht ihnen um die Zukunft, und zwar die Zukunft des Planeten wie um ihre eigene.
Die meisten jungen Aktivistinnen und Aktivisten der Extinction Rebellion setzen auf zivilen Ungehorsam, weil die Zeit drängt. Der Name Extinction rebellion bedeutet „Aufstand gegen das Aussterben“ – hier wird die empfundene Dramatik deutlich.
Auch last generation fordert eine Wende in der Klimapolitik, mit drastischen Mitteln, die in der Öffentlichkeit heftig diskutiert werden. Ihr Recht auf eine Zukunft steht im Vordergrund. Bei der letzten Aktion in Berlin, mit der die Hauptstadt zum Stillstand gebracht werden sollte, twitterte die last generation: „Jugendliche fordern im Regierungsviertel in Berlin ein, was ihnen rechtmäßig zusteht: Erhalt ihrer Grundrechte, eine Chance auf Freiheit und ein erfülltes Leben.“ (1)
Das Engagement dieser Jugendlichen stimmt mich optimistisch und erinnert mich an Demonstrationen, an denen ich als Jugendlicher teilgenommen habe. Überdies wurde das Klimaschutzgesetz vom obersten deutschen Gericht für verfassungswidrig erklärt, weil es Klimaschäden auf kommende Generationen abwälzt. Aber gibt es deshalb tatsächlich ein Recht auf Zukunft?
Auf dem 38. Deutschen evangelischen Kirchentag, der am Mittwoch begonnen hat, wird in einem Forum genau diese Frage gestellt. (2) Auf dem Podium sollen mehrere Experten vertreten sein, Juristinnen und Journalisten und sogar Herbert Reul wurde eingeladen, der Innenminister von Nordrhein Westfalen. Ich weiß nicht, was die Experten dort sagen werden, aber aus christlicher Perspektive kann man zu dieser Diskussion zumindest einige Gedanken beisteuern.
Das Leben selbst gilt nach christlicher Überzeugung als Geschenk Gottes. Eltern wissen darum, wie sehr man sich ein Kind wünschen kann und die Geburt als ein Wunder und nicht als einen Rechtsakt erlebt. Und dann fällt auf, dass in den biblischen Geboten Pflichten benannt werden, die mit dem Leben verbunden sind, aber keine Rechte. Für mich bleibt es offen, ob die Pflicht auf der einen Seite automatisch zum Recht auf der anderen werden kann. Ein Arzt hat die Pflicht, Kranken zu helfen, sie zu heilen – aber deshalb gibt es nicht automatisch ein Recht auf Gesundheit. In gleicher Weise darf niemand Leben gefährden oder die Umwelt so schädigen, dass dadurch Leben vernichtet wird. Aber ist das gleichbedeutend mit einem persönlichen Recht auf Zukunft?
Geprägt ist das Leben von Zufällen, die niemand wirklich in den Griff bekommen kann: Krankheiten, Unfälle, Katastrophen – das gefährdet mich und meine Zukunft. Das Leben ist nicht vollkommen planbar und auch nicht berechenbar. Deshalb erlebe ich mein eigenes Leben täglich als Geschenk, freue mich über Gesundheit und hoffe, dass es lange so bleibt. Ein Recht leite ich daraus aber nicht ab.
Diese Einstellung, die jedes Leben als Geschenk aus der Hand Gottes betrachtet und das Wohlbefinden als Gnade empfindet, ist alles andere als Fatalismus. Sie entbindet mich gerade nicht vom Sorgen um die Zukunft! Selbstverständlich sorge ich mich um die Zukunft, nicht nur für mich, sondern vielmehr noch für meine Kinder und Enkelkinder. Deshalb versuche ich, unseren Planeten zu schützen: Auch durch politischen Druck, manchmal sogar durch Ungehorsam, aber niemals zum Schaden anderer Menschen. Im Vordergrund steht aber meine eigene Verpflichtung für eine gemeinsame Umwelt. Sie kann ich nicht durch Forderungen an andere ersetzen. Gerade weil ein Recht auf Zukunft keinesfalls selbstverständlich ist.
Es gilt das gesprochene Wort.
Literatur dieser Sendung:
- https://twitter.com/AufstandLastGen/status/1655120217066946561?ref_src=twsrc%5Egoogle%7Ctwcamp%5Eserp%7Ctwgr%5Etweet
- Fr. 11.00 Gibt es ein Recht auf Zukunft? Rechtsmittel als letzte verbleibende Option Impuls: Dr. Roda Verheyen, Richterin Hamburgisches Verfassungsgericht, Gründerin Green Legal Impact, Hamburg. Weitere Podiumsteilnehmende: Prof. Dr. Klaus Gärditz, Rechtswissenschaftler, Bonn und Herbert Reul MdL, Innenminister, Düsseldorf. Moderation: Hannah Knuth, Journalistin Die Zeit, Berlin.