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Schrecklich klingt das Wort in meinen Ohren: „Judensau“. Dabei ist noch gar nicht gesagt, worum es geht und was gemeint ist. Allein das Wort auszusprechen fühlt sich für mich schon blasphemisch an. Und es wurde oft ausgesprochen, seit der Streit um das Relief an der Südostecke der Stadtkirche zu Wittenberg öffentlich wurde.
Die Schmähplastik befindet sich seit etwa 1290 an dieser Stelle und soll die Juden dadurch verhöhnen, dass sie in Verbindung mit einem Schwein dargestellt werden, wohlwissend, dass den Juden das Schwein als ein unreines Tier gilt.
In diesen Tagen wird vielerorts an die Bedeutung der Reformation erinnert und an die zentrale Rolle, die Wittenberg in diesem Geschehen gespielt hat. Dabei darf nicht verschwiegen werden, dass auch Martin Luther mit seinen Schriften gegen die Juden, ein lang wirkendes Gift in unsere Gesellschaft getragen hat.
Nun aber stellt sich die Frage, wie mit einem solchen Erbe umzugehen ist. Theologisch wurde in den letzten Jahrzehnten viel geleistet. Arbeitsgruppen aus Juden und Christen haben die schwere Geschichte aufgearbeitet. Doch darf dieses Relief an öffentlichem Ort seine giftige Botschaft dort weiter präsentieren? Eine offene und kontrovers diskutierte Frage. Für mich persönlich muss ich sagen: Ja, unbedingt! Immer wenn ich Wittenberg besuche, schaue ich wieder hin und schäme mich. Ich will es mir nicht ersparen, an dieses dunkle Erbe meiner Kirche erinnert zu werden. So, wie ich in meiner Heimatstadt Berlin auch sehr bewusst an den Stolpersteinen hängen bleibe, die an die Nachbarn erinnern, die als Jüdinnen und Juden ermordet wurden.
Die Einwände allerdings kann ich auch nicht einfach wegwischen. Wie mag es sein, wenn jemand in Wittenberg unter diesem Relief steht und innerlich feixt? Wenn er sagt, ja, das finde ich auch, Abschaum diese Leute, verachtenswert, alles Schweine. Eine doppelte Scham überfällt mich. Wie kann das sein, dass es dieses Denken immer noch gibt? Wo war die Schule, wo waren die Eltern, wo waren wir? Also doch ins Museum mit dieser Darstellung? Dorthin, wo die Lästerer wahrscheinlich nicht auftauchen werden.
Ich bleibe bei allem für und wider dabei, dass dieses Schandmal in die Stadt gehört. Es zeigt unsere peinliche, schmachvolle Geschichte. Wir müssen uns ihr stellen, immer wieder, auch im Alltag. Die Bronzeplatte unter dem Relief, die das thematisiert, mag ergänzungsbedürftig sein, aber die Erinnerung muss präsent bleiben, um einer anderen Zukunft willen.
Es gilt das gesprochene Wort.