Wort zum Tage
Ich habe fertig
28.10.2015 05:23

Wer in Berlin aus der Kirche austreten will, kann sich ans Amtsgericht wenden. Das geht ohne Termin zu den üblichen Öffnungszeiten. Oder auch online. Kosten: 30 Euro. Ich habe es vor zwei Jahren probiert.

Wer sich für die persönliche Variante entscheidet, findet sich in einem nüchternen Büro wieder, vor einem Sachbearbeiter, der die entsprechenden Formulare ausfüllt und unterschreiben lässt. Es ist nicht mehr als ein bürokratischer Akt. Eigentlich. In meinem Fall gab es aber noch eine Pointe: Als alles erledigt war, lehnte mein Sachbearbeiter sich zurück und sagte zufrieden: „Es ist vollbracht.“ Das war wohl die gewohnte Floskel am Ende eines Arbeitsgangs. Vielleicht konnte er ja nach mir in die Pause gehen. Er hatte jedenfalls fertig, und ich war entlassen.

 

Das war auf eine bittere Art komisch. Denn die drei Worte „Es ist vollbracht“ sind ja ein Zitat aus der Bibel. Es sind die letzten Worte Jesu am Kreuz. Ein düsterer Moment im Johannesevangelium. Der Tod des Helden der Geschichte, der Hauptfigur. „Es ist vollbracht“ – aus diesem Satz gingen Kompositionen, Gemälde und Gedichte hervor, Theorien und Bauwerke. In seinem Schatten ist Unrecht geschehen. Doch über die Jahrhunderte haben der Satz und die Geschichte, aus der er stammt, auch Kräfte freigesetzt, sich mit aussichtslosen Situationen niemals abzufinden. Denn Jesus wird auferstehen, erzählt die Geschichte weiter. Eine ungeheuerliche Behauptung angesichts der Totmacher aller Couleur. Sie wirkt durch die Jahrhunderte. Das alles spiegelt sich in diesen drei Worten. Jedenfalls für den, der sie einzuordnen weiß. Ich verließ das Amtsgericht mit einem seltsamen Gefühl. „Es ist vollbracht“ hatte sich in so etwas wie „Ich habe fertig“ verwandelt. Willkommen in der entkirchlichten Gesellschaft.

 

Ich hätte damals im Grunde auch gleich wieder eintreten können, denn in diesem Erlebnis zeigt sich schon, warum ich auf meine Kirche nicht verzichten möchte. Auch nicht als Institution. Trotz manchen Ärgers. Ohne das Engagement der unterschiedlichen Kirchen werden die alten Hoffnungsgeschichten weiter in Vergessenheit geraten und mit ihnen auch all ihre Resonanzen in Kunst, Kultur und auch in der Politik. Was für ein Verlust. Die Kirchen versammeln Menschen, die diese Hoffnungsgeschichten auf vielfältige Weise hüten. Und zwar jeden Tag, weltweit. Das schafft kein Einzelmensch. Dazu braucht es eine Gemeinschaft, vermutlich sogar eine Institution. Auch deswegen bin ich wieder eingetreten. Übrigens: Auch „Kircheneintritt“ kann man googlen.