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Die Sendung zum Nachlesen:
„Jetzt ist die Zeit!“ – diesem Slogan wird wohl niemand widersprechen. Eigentlich ist ja immer die Zeit, um etwas zu tun, um etwas nicht zu tun, oder zumindest sich etwas vorzunehmen. Der 38. deutsche Evangelische Kirchentag, hat sich genau dieses Motto zu eigen gemacht: Er beginnt heute und zieht bis zum Wochenende Tausende Christen nach Nürnberg.
Jetzt ist die Zeit - dieser Satz weist auf die Dringlichkeit von Veränderungen hin, er wurde als Apell formuliert. Tatsächlich wirkt vieles so, als stünden wir an einer epochalen Zeitenwende, die schicksalhaft scheint: Wenn wir jetzt keine Schritte zur Rettung des Klimas unternehmen, steuern wir auf eine Katastrophe zu. Wenn wir jetzt nicht zu mehr sozialer Gerechtigkeit finden, bleiben größere Konfrontationen nicht aus. Die Kriege in der Welt und Europa, die Zersplitterung von Gesellschaften hält uns täglich vor Augen, was in dieser Welt alles schiefläuft und welche dramatischen Folgen das hat.
Ja, das stimmt schon: „Jetzt ist die Zeit!“ für Veränderungen und zwar im sozialen Miteinander, in politischen Strukturen, und auch im privaten Leben. Der Kirchentag hat nicht nur das passende Motto gefunden, sondern will auch nach Lösungen suchen, um sich am gesellschaftlichen und politischen Diskurs zu beteiligen. Es geht um die Richtungen, in die in christlicher Verantwortung gedacht und gehandelt werden muss.
„Jetzt ist die Zeit!“ – der Satz, der in den kommenden Tagen die Debatten in Nürnberg beherrschen wird, stammt aus dem Neuen Testament (Mk 1,15). Er steht ganz am Anfang des Markus Evangeliums, stellt also eine Art Programm dar für das, was im Evangelium folgt. Im Zusammenhang heißt es dort: „Jesus kam nach Galiläa, predigte das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“
Am Anfang steht ein Aufruf zur Buße beziehungsweise zur Umkehr. Der Kern dieser ersten im Markus-Evangelium bezeugten Predigt Jesu ist mir wichtig. Für das Motto des Kirchentags wäre das zu lang. Das Motto ist reduziert auf die Zeitansage. Es hebt die Aktualität des Evangeliums hervor, hält aber die Botschaft vorsichtig zurück. Mag sein, dass ein Reden über Buße und Umkehr vielen Menschen heute zu antiquiert wirkt, es ist eben Kirchensprache und die stößt allenthalben auf Skepsis. Möglicherweise klingt ein Aufruf zur Buße auch zu sehr nach Kanzel und Belehrung.
In die gleiche Richtung weist es auch, wenn der frühere Bundesminister Thomas de Maizière, nun als Präsident des Kirchentags, vor überhöhten Erwartungen warnt. Über das Motto sagte er auf einer Pressekonferenz: „Wir wollen auf dem Kirchentag den Menschen nicht sagen, was jetzt zu tun ist. Wir laden vielmehr dazu ein, dies gegenseitig zu tun.“
Der Satz „Jetzt ist die Zeit“ gilt eigentlich immer. Jeder Mensch lebt sein eigenes Leben, jedes einzelne ist wichtig und stets aktuell, selbst wenn im Moment die äußere Bedrohung durch die Klimakrise besonders drängend wirkt. Aber der Satz ergibt keinen Sinn, wenn er nicht mit Inhalten gefüllt wird, sonst bleibt es bei der Beschwörung eines Szenarios, das nur Angst macht. Deshalb ist mir wichtig, die Fortsetzung des biblischen Mottos nicht aus den Augen zu verlieren. Und wem der Begriff der Buße dabei zu verstaubt klingt, darf dafür getrost die Worte Sinneswandel oder Umdenken einsetzen. Das war es, was Jesus mit seiner ersten Predigt anstrebte: Die Breitschaft, das eigene Leben zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ändern. „Jetzt ist die Zeit“ meint bei ihm: Fang jetzt an, alle Veränderungen beginnen drinnen, in deinen Gedanken, in deiner Einstellung zum Leben. Die Umkehr, die er meinte, richtet sich an die eigene Adresse, sie ist keine Forderung an andere. Und dafür ist immer „jetzt“ die richtige Zeit. Auch auf dem Kirchentag in Nürnberg, jetzt und noch bis zum Wochenende.
Es gilt das gesprochene Wort.