Zwei Menschen - zwei Konfessionen - eine Hochzeit

Zwei Liebesschlösser

Gemeinfrei via pixabay/ hans

Zwei Menschen - zwei Konfessionen - eine Hochzeit
Wie Paare es miteinander aushalten
07.02.2021 - 08:35
06.02.2021
Stephan Krebs
Über die Sendung:

"Am Sonntagmorgen" im Deutschlandfunk zum Nachhören und Nachlesen

 
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Nur um etwa zehn Prozent gesunken ist die Zahl der Trauungen im vergangenen Jahr, zumindest in Darmstadt und Frankfurt. Erstaunlich wenig, finde ich, angesichts der Pandemie. Denn die Paare konnten ihre Hochzeit ja gar nicht groß feiern. Doch offenbar war ihnen dieses große JA zueinander wichtiger. Damit wollten sie nicht warten. Für immer beieinander, das ist die Hoffnung, die dahintersteht. Einander lieben und ehren – in guten und in schlechten Zeiten, wie es in der Kirche heißt.

Das ist nicht leicht. Schon im normalen Alltag. Umso mehr im Lockdown und im Homeoffice. Viele scheitern daran. Die Scheidungsraten sind bekannt. Jeder kennt jemanden, der oder die geschieden ist. Und jeder weiß: Das tut sehr weh. Was lässt Paare beieinanderbleiben und miteinander glücklich sein? In einer Woche ist Valentinstag, der Tag der Liebenden. Grund genug zu schauen, was aus der Liebe geworden ist. Und was daraus noch werden könnte.Das ist eine ernste Frage. Aber es ist gut, sich dafür eine gewisse Leichtigkeit zu bewahren. Schließlich geht es auch um das Schönste auf der Welt: die Liebe. Humorvoll machen das die Beatles, schon als junge Pilzköpfe, in ihrem Song „When I´m sixty four“.

Text übersetzt: „Wenn ich älter werde, mir die Haare ausfallen, viele Jahre später als jetzt, wirst du mir dann noch einen Valentinsgruß schicken, Geburtstagswünsche, eine Flasche Wein?“

Mit diesem ironischen Song machen sich die Beatles lustig über ihre spießigen Eltern, aber auch über viele andere Popsongs. Die besingen meist das romantische Verliebtsein am Anfang, die Wolke Sieben. Manche Paare wünschen sich eine so romantische Liebe für immer. Wenn ich als Pfarrer das bei Brautpaaren feststelle, zucke ich innerlich zusammen. Denn das halte ich für eine Illusion. Liebe, die am Leben reift, ist anders. Sie kommt nicht auf rosaroten Wolken daher, sondern ist hart erarbeitet. Wie können Paare jahrzehntelang gut miteinander leben? Dazu sieben Stichworte.

Das erste lautet: Realismus. Lieber nicht zu viel erwarten. Ein spöttischer Spruch sagt: „Die Ehe ist der Versuch, zu zweit mit Problemen fertig zu werden, die man alleine nie gehabt hätte.“ Das ist zwar bitterböse, aber auch nicht ganz falsch. Wer eine Beziehung eingeht, geht damit auch Probleme ein. Deshalb ist meine Erfahrung: Bei aller Liebe bedeutet Beziehung immer auch, einander etwas schuldig zu bleiben. Manchmal sogar: aneinander zu leiden. Das gelingt auf Dauer nur, wenn man immer wieder bereit ist, einander zu verzeihen. Denn zwei unterschiedliche Menschen gehen mit ihrer Beziehung eine Einheit ein. Die Kunst besteht darin, diese Unterschiede zu erkennen und unter einen Hut zu bringen.

Deshalb lautet mein zweites Stichwort: Unterschied. Zwei Menschen mögen zum Beispiel noch so sparsam sein: Einer von beiden wird mit dem Geld noch etwas vorsichtiger umgehen. Solche kleinen oder großen Unterschiede gibt es viele:

Die Eifersucht: Einer von beiden hat mehr damit zu kämpfen.

Die Wohnung: einer von beiden braucht sie sauberer.

Der Sex: einer von beiden will ihn anders.

Auch der Glaube kann einen Unterschied machen. Der eine geht davon aus, dass er sein Leben Gott verdankt. Er sieht sich und die anderen Menschen als eine gute Idee Gottes. Die andere hält sich und alle anderen Menschen eher für einen Zufall der Natur. Zwei ganz unterschiedliche
Blicke auf den Menschen.

Das gilt auch für die persönliche Sicht auf den Tod. Der eine denkt: Mit dem Tod ist alles aus. Die andere hofft auf ein ewiges Leben bei Gott. Das ist keine theologische Frage für Beerdigungen. Das wirkt sich auf das ganze Leben aus. Es prägt, wie man lebt, wofür man sich engagiert und einsteht, wie man mit Fehlern umgeht, mit Reue und mit Vergebung.

All diese Unterschiede muss man ständig ausgleichen. Darüber muss man sprechen, vielleicht sogar streiten. Und beim Streiten geht es mit den Unterschieden gleich weiter. Klärende Gespräche und Konflikte - für den einen sind sie ein emotionaler Kraftakt. Tagelang hängen sie ihm nach. Für die andere sind Konflikte Sternstunden der Beziehung - und die Versöhnung danach ein rauschendes Liebesfest. Entsprechend unterschiedlich verhalten sich die Menschen in Konflikten.

Text übersetzt: Wenn ich ausginge bis viertel vor drei, würdest du die Tür abschließen? Wirst du mich noch brauchen, wirst du mich noch füttern, wenn ich 64 bin?“

Für viele junge Paare sind die Unterschiede ein harter Realitätsschock. Das bringt mich zum dritten Stichwort: Ernstnehmen. Wenn Unterschiede zum Problem werden, ist das keine Krise. Es ist einfach nur das Ende der ersten Phase, von Wolke Sieben. Und der Beginn der nächsten Phase. Das fällt schwer, denn der Ton ist anders, wenn Partner auf die Differenzen schauen. Wenn sie verhandeln müssen, vielleicht sogar streiten! Ja, unbedingt. Streiten verursacht zwar schwierige Stunden, heikle Gespräche und manche Enttäuschung. Aber wie das Wort schon sagt: Man wird ent-täuscht, also von einer Täuschung befreit. Und über solchen Debatten wächst und reift die Liebe. Oder sie erweist sich als nicht tragfähig. Das wäre eine zwar schmerzhafte, aber heilsame Ent-Täuschung. Besser jetzt als später.

Deshalb mein viertes Stichwort für ein gutes Leben miteinander: Verhandeln. Es gibt viel zu verhandeln, um als Partner einen gemeinsamen Weg zu finden. Das Essen ist da wichtig: Geht gemeinsames Kochen? Traditionell, schnell oder vegan? Spät oder früh? Beim Essen geht es um alte Gewohnheiten, Familientraditionen und nicht zuletzt um tiefgreifende ökologische und ethische Fragen. Genauso wichtig ist die freie Zeit, im Urlaub und am Wochenende: Will man da putzen oder faulenzen? Lange schlafen oder unternehmungslustig sein? Ruhe haben oder soziale Kontakte pflegen?

Eine gemeinsame Lösung findet man nur mit Reden und Zuhören. Doch wie schafft man es, dabei ewige Debatten zu vermeiden, die in immer gleichen Sackgassen enden?

Dafür lautet mein fünftes Stichwort: Respekt. Gespräche gelingen nur, wenn sie einander Raum geben. Der jeweils andere darf so sein wie er ist. Als Christ sage ich: Ich gestehe meiner Partnerin zu, dass sie so sein darf, wie Gott sie gemeint hat. Nicht so, wie ich sie gerne hätte. Meine Partnerin ist nicht die Erfüllungsgehilfin meiner Vorstellungen, sondern sie ist eine gute Idee Gottes. Beziehung kann nur gelingen, wenn beide Partner solchen Respekt füreinander empfinden.

Dafür kann man in der Bibel einen wichtigen Hinweis finden. Sie hat einen nüchternen Blick auf den Menschen. Einerseits beschreibt sie ihn als großartig, geradezu Gott gleich. Andererseits als ein in sich gebrochenes Wesen, das in schreckliche Untiefen abgleiten kann und auf das Erbarmen Gottes angewiesen ist. Das gilt auch für den eigenen Partner und für sich selbst. Diese Sicht auf den Menschen kann einen vor allzu hohen Idealen bewahren. Weder der Partner noch man selbst kann sie je erreichen. Damit erinnert die Bibel auch daran, dass jeder Mensch nicht nur auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen ist, sondern auch auf die seines Partners. Mit dem großen JA zueinander bei der Trauung ist auch das gemeint:

Text übersetzt: „Du wirst auch älter sein. Und wenn du das eine Wort sagst, könnte ich mit dir zusammenbleiben. Ich könnte nützlich sein, die Sicherung austauschen, wenn deine Lichter ausgegangen sind. Du könntest mir vor dem Kamin einen Pulli stricken. Sonntags morgens einen Ausflug machen.“

So singen die Beatles über ein behagliches Leben zu zweit. Und man weiß nicht so genau, wie ernst sie das meinen. Denn die Idylle hat ihre dunklen Ecken. Nicht alle Differenzen lassen sich mit gutem Willen lösen. Selbst wenn man gut verhandelt, also realistisch und respektvoll: In jeder Beziehung bleiben ein paar ungelöste und unlösbare Probleme bestehen. Wie kann man mit ihnen leben lernen?

Dafür lautet mein sechstes Stichwort: Scheinlösungen. Wie man unlösbare Probleme doch lösen kann, haben die katholische und die evangelische Kirche gezeigt. Die beiden unterscheiden sich und sind kein klassisches Liebespaar. Eines haben sie aber doch gemeinsam: Sie stecken unter demselben Hut des christlichen Glaubens. Vor genau 50 Jahren hatten sie ein Problem: Immer mehr Paare kamen, die hatten nicht die gleiche Konfession, der eine war katholisch, die andere evangelisch. Aber heiraten wollten sie trotzdem, auch vor Gott. Eigentlich ein unlösbares Problem, denn die Trauung bedeutet in den beiden Konfessionen etwas ganz Verschiedenes. In der katholischen Kirche ist sie ein Sakrament, also ein unverbrüchliches Zeichen Gottes, das niemand auflösen kann. Eine Scheidung ist also quasi ausgeschlossen. In der evangelischen Kirche ist die Trauung kein Sakrament, sondern ein Gottesdienst anlässlich einer Eheschließung. Ein Segensfest der Liebe, für gute und für schlechte Zeiten. Scheitern-Können ist ein Teil des Lebens, Scheidung also nicht ausgeschlossen. Wer sich dann neu verliebt, kann in einer neuen Ehe wieder gesegnet werden. Als Pfarrer traue ich solche Paare immer gerne, denn die kommen nicht auf Wolke sieben dahergeflogen. Die wissen, um was es wirklich geht.

Eine kirchliche Trauung mit verschiedenen Konfessionen ist wegen der tiefgreifenden Unterschiede ein unlösbares Problem. Eigentlich ist eine gemeinsame, also eine ökumenische Trauung unmöglich. Aber vor 50 Jahren haben die beiden Kirchen doch eine Lösung gefunden. Und zwar um der Menschen Willen, die einander lieben und sich trauen wollen. Natürlich kann die Lösung für ein unlösbares Problem nur eine Schein-Lösung sein. Aber damit lässt sich immerhin leben. Das geht so: Das Paar entscheidet sich vorher: Feiern wir eine evangelische Trauung oder ein katholisches Sakrament? Und der Pfarrer oder die Pfarrerin der jeweils anderen Konfession feiert im Gottesdienst gleichberechtigt mit. So fühlt es sich für alle, die mitfeiern, gemeinsam und ökumenisch an. Aber hinterher in den Büchern ist klar, was es war. Das funktioniert sehr gut. Heute weiß ich gar nicht mehr: War die ökumenische Trauung meines Freundes, bei der ich als Pfarrer mitgewirkt habe, katholisch oder evangelisch? Sie war schön und im Herzen ökumenisch. Das zählt heute.

Manchmal gibt es keine besseren Lösungen als solche. Wackelige Brücken zueinander sind besser als unüberwindliche Abgründe. Es lohnt sich, den Weg zueinander und miteinander immer wieder zu suchen. Denn jede gelingende Beziehung ist ein großes Glück und ein Spiegel der Liebe Gottes.

So lautet mein letztes Stichwort: Liebe. Oft spürt man sie im Kleinen, zum Beispiel wenn zwei Hände abends beim Schlafengehen einander suchen, sich finden und halten. Oder wenn man die Freude über Kinder teilt, wenn sie laufen und sprechen lernen. Auch wenn man die Sorge miteinander teilt, wenn die Kinder krank sind oder in der Schule nicht mitkommen. Diese Liebe ist vielleicht nicht so spektakulär wie die feurige Verliebtheit am Anfang. Aber sie geht tief und hält an – hoffentlich weit über das 64. Lebensjahr hinaus. Jede gelingende Beziehung ist ein Wunder Gottes – und ein gutes Stück Arbeit.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

06.02.2021
Stephan Krebs