Quote und Aufmerksamkeit

Morgenandacht
Quote und Aufmerksamkeit
28.01.2015 - 06:35
23.02.2015
Pfarrer Thomas Dörken-Kucharz

„Denen geht es doch nur um Quote!“ Diese abfällige Bemerkung kann man häufig hören, wenn wieder ein neues skandalträchtiges und tabuverletztendes Fernsehformat startet, zumeist ja in einem der privaten Sender. In den Medien geht es tatsächlich um Quote, Auflage, oder gezählte Klicks. Und deshalb buhlen die Medien um unsere Aufmerksamkeit als Zuschauer, Zuhörer, User oder Leser. Und wir schenken sie Ihnen. 621 Minuten verbringt jede und jeder von uns, der über vierzehn ist im Durchschnitt pro Tag mit Medien: Fernsehen, Radio, Computer, Zeitung, Bücher usw. Tendenz steigend. Das sind mehr als zehn Stunden, und die allermeiste Zeit davon sind es elektronische Medien, die wir nutzen. Buch, Zeitschrift und Zeitung liegen zusammen unter einer Stunde (52 Minuten). Manche Medien nutzen wir aktiv, vieles nehmen wir zur Entspannung eher passiv wahr. Aber über zehn Stunden am Tag tragen wir zur Quote eines oder mehrerer Medienangebote bei. Ich werde jetzt nicht über die viele Medienzeit lamentieren und auch kein Plädoyer fürs Abschalten halten. Denn der größte Teil der Mediennutzung ist gut, sinnvoll, schön oder spannend. Medien bereichern das Leben. Natürlich gibt es Auswüchse, Süchte und dunkle Seiten, aber die gibt es auch jenseits der Medien. Die Kunst ist, sich nicht zu oft und zu lange ablenken und verführen zu lassen, sondern selbstbestimmt und bewusst zu nutzen.

 

Mir geht es um die Quote. Denn Quote ist nichts anderes als gemessene Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit ist in den Medien die Währung schlechthin. Sie ist wichtiger als Geld. Denn das Geld fließt dorthin, wo man sich Aufmerksamkeit verspricht.

Und die Ressource Aufmerksamkeit ist knapp. Denn auch wenn jedes Jahr noch ein neues Medium hinzukommt und wir inzwischen gelernt haben Radio, Computer, Smartphone, Tablet und Fernseher gleichzeitig zu nutzen, eines bleibt sich gleich: der Tag hat nur 24 Stunden.

 

Wem wir unsere Aufmerksamkeit schenken, der erhält ein Geschenk, das kostbarer ist als Gold und Geld. Denn Letzteres gibt es im Prinzip unbegrenzt, auch wenn viele nicht genug davon haben . Von der Aufmerksamkeit aber hat jede und jeder maximal 1440 Minuten am Tag, bleiben abzüglich Schlaf rund 1000 Minuten. Jeder Mensch hat also nur eine begrenzte Zeit, in der er seine Aufmerksamkeit jemanden schenken oder Aufmerksamkeit bekommen kann. Mehr geht nicht. Deshalb ist die Quote eine so wichtige Währung, weil ihre Basis pro Person absolut stabil ist.

 

Auch in der Beziehung von Gott und Mensch geht es zentral um Aufmerksamkeit und Unaufmerksamkeit. Schon in der Geschichte vom Garten Eden ganz am Anfang der Bibel schenkt Eva zuerst der Schlange und dann den verbotenen Früchten des Baumes zu viel Aufmerksamkeit. Und der Brudermord von Kain und Abel geht darauf zurück, dass Abel von Gott mehr Aufmerksamkeit bekam als Kain. Auch die zehn Gebote sind durchzogen vom Thema Aufmerksamkeit: Ich bin der Herr, dein Gott, Du sollst keine anderen Götter neben mir haben; der Feiertag und ebenso die alten Eltern sollen sie bekommen, die Frau des anderen und auch sein  Besitz sollen sie gerade nicht bekommen, jedenfalls nicht so, dass man sie sich zu eigen macht.

 

Die Frage, wer Aufmerksamkeit bekommt und wie und wer nicht, stellt sich auch den Medien selbst. Worüber berichten sie und worüber nicht. Da tragen die Medien eine hohe Verantwortung, aber wir als deren Nutzer können die Berichterstattung auch steuern durch unsere gewährte oder verweigerte Aufmerksamkeit.

 

Die Ressource Aufmerksamkeit ist in jedem Fall knapp. Lernen wir sie klug und zum Besten der anderen und unserer selbst einzusetzen. Sie auf Gott und die Welt mit Bedacht zu richten, sie zum Guten zu verschenken, mit oder ohne Medien. Wie heißt es im 90. Psalm: Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.

23.02.2015
Pfarrer Thomas Dörken-Kucharz