"Warum mir Weihnachten 2020 wichtig ist"

Johanneskirche Ettlingen Altarraum

Johanneskirche Ettlingen

"Warum mir Weihnachten 2020 wichtig ist"
Rundfunkgottesdienst aus der Johanneskirche Ettlingen
25.12.2020 - 10:05
Über die Sendung

 

 

 

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Predigt

Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Gemeinde,


es ist Weihnachten – aber vieles ist so anders als in allen Jahren zuvor.
Es ist das Fest der Familie – aber trotz der Lockerungen sind viele allein oder nicht im gewohnten Kreis.
Es ist das Fest des Friedens – aber die Spannungen in der Gesellschaft und in der Welt beunruhigen uns.
Es ist das Fest der Freude – aber viele haben Sorgen und Angst.

Wie kann es gelingen, trotzdem – oder gerade in all dem – Weihnachten zu feiern?
Tragen die Traditionen, die Rituale, das Vertraute?

So erhoffen es manche, mit denen ich gesprochen habe – sie sagen, inmitten von allem, was unsicher und so anders geworden ist, da hilft das Alt-Vertraute: die Weihnachtsbäume mit ihren Lichtern, die Lieder, die Familienmitglieder, mit denen man zusammen sein kann, Weihnachtsgrüße, die man bekommt.
Andere empfinden gerade bei all dem den Zwiespalt zu den anderen Jahren umso stärker.

Mir persönlich gibt der Klang und der Text mancher Weihnachtslieder und genauso der Weihnachtsgeschichte einen inneren Halt. Das ist etwas, was tragen kann. Was Hoffnung gibt und Kraft.
Der Klang der Weihnachtsgeschichte, nach Luthers Übersetzung, der Wortlaut: Es begab sich aber zu der Zeit…. Fürchtet euch nicht. Siehe, ich verkündige euch eine große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.
Allein schon der Wortlaut lässt bei vielen etwas erklingen, was sie berührt und einen inneren Frieden stiftet.

Es ist aber nicht nur der Klang, sondern auch die Botschaft, der Inhalt – und wir hören sie in diesem Jahr in besonderer Weise, z.B. die ersten drei Worte der Engel: Fürchtet euch nicht.
Dass man mit einem großen Vertrauen in die kommende Zeit gehen kann. Weil wir nicht allein sind, denn euch ist heute der Heiland geboren.
Der Heiland. Ich will einmal das alte Wort Heiland stark machen. Es geht um einen, der heilende Kraft hat – der die Dinge heil macht, weit über das bloße Reparieren oder Impfen hinaus. Menschen damals wie heute haben auf einen solchen Heiland gewartet.
Ich will ein Beispiel aus meinem Religionsunterricht in der Grundschule erzählen:

Meinen Viertklässlern habe ich jetzt in der Adventszeit ein Bild mit Licht und Dunkel ausgeteilt. Ich habe sie gebeten, zum Licht und zum Dunkeln ihre Gedanken und Gefühle zu schreiben. Da es aber nicht nur hell und dunkel gibt, sondern auch manches dazwischen, frage ich sie, ob sie auch Ideen für das Dazwischen – zwischen Hell und Dunkel – hätten.
Ja, sie haben Ideen. Eine Schülerin schreibt: man ist traurig und fröhlich zugleich.
Kann man traurig und fröhlich zugleich sein?
Ja, wir finden viele Beispiele. Die jetzige Weihnachtszeit könnte so etwas sein. Fröhlich und traurig zugleich.
Ein anderer Schüler notiert: wenn man etwas bereut, ist das wie dunkel und hell.
Und eine Schülerin schreibt zum Übergang zwischen Dunkel und Hell die Worte: die Hilfe kommt.
Ich finde das eine großartige Umschreibung des Wortes Advent und auch des Heilands.
Die Hilfe kommt.
Diese paar Worte haben etwas Erwartungsvolles: die Hilfe ist noch nicht da. Sie tragen zugleich eine große Gewissheit in sich: Sie kommt bestimmt. Die Hilfe kommt. Der Helfer, der Heiland kommt.
 
Wir hören das Lied Ich steh an deiner Krippe hier – und Melodie und Text transportieren dieses Vertraute, das Vertrauen zu Jesus Christus, dem Heiland, der in diesem Kind geboren wird.

Weihnachten aber ist viel mehr als das Vertraute, als der vertraute Klang von Worten und Liedern, als das Gewohnte, was Stabilität gibt in einer Zeit, in der so vieles unsicher ist.

Weihnachten erzählt davon, wie Gott mitten in das Fremde und Unsichere hinein geboren wird.

Eigentlich ist es ja eine harte Geschichte:  von Menschen, die aus politischen Gründen auf eine weite Reise gezwungen werden. Wie so viele auch in unseren Tagen.
Von Leuten, die gerade dann abgewiesen werden, wenn man Hilfe braucht.
„Bei uns: alles voll. Da hinten, geht in den Stall.“
Es ist die Geschichte von der Geburt eines Kindes unter schwierigsten Umständen. Von Anfang an hängt das Leben des Erlösers an einem seidenen Faden. Wir spüren, wie zerbrechlich Leben ist – auch sein Leben – und wie er uns gerade in unseren Zerbrechlichkeiten nahe ist.

Weiter: die Geschichte spielt in der Nacht – und wieder: Nacht nicht als Romantik, so schön lauschig und heimelig. Nein, Nacht als Finsternis – und wie viele unter uns wissen gerade jetzt in diesen Zeiten, was Nacht ist. Was Dunkelheit in den Herzen bedeutet.
Nacht. Da wird Gott geboren, sagt die Weihnachtsgeschichte.
Mitten in der Nacht, da wo es dunkel ist um uns Menschen.

Und noch etwas. Jesus, der König der Welt wird nicht in den Zentren der Macht geboren, sondern in Bethlehem, im Stall. Es ist eine Geschichte, die „am Rande“ spielt. In vieler Hinsicht „am Rande“.
Die ersten Zeugen der Botschaft – das sind die Hirten, arme Leute, auch sie „am Rande“ der Gesellschaft, aus der untersten Lohngruppe. Sie entdecken das Wunder dieser Nacht zuerst. Vielleicht versteht man, wenn man am Rande ist, besser, wo das wirkliche Zentrum ist, worauf es ankommt.

Weihnachten – also alles andere als Heimat und Geborgenheit. Sondern eine Geschichte, in der es gerade nicht heil zugeht. Dies ist doch gerade in diesem Jahr 2020 von Bedeutung.
Gerade da, wo es nicht heil zugeht, da hinein kommt Gott. Er kommt in diesem Kind Jesus in die Dunkelheiten und Härten unseres Lebens und unserer Welt. Denen am Rande will er besonders nahe sein. Denen am Rand der Gesellschaft. Denen, die am Rand ihrer Kräfte sind. Denen, die Angst haben, dass sie über den Rand rutschen.

Gerade da wird er geboren. Gerade da kommt er hinein, als Kind, mit seinem Licht und mit seiner Kraft.

Wir hören weitere Strophen von Ich steh an deiner Krippe hier – aber jetzt verfremdet, so wie Gott, der in Jesus in die Fremde kommt.
 

Ein letzter Gedanke. Weihnachten bedeutet: sich neu auf den Weg zu machen. Dem Fingerzeig der Engel nachzugehen. Da bleibt nicht alles beim Alten.

Die Engel singen ja: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden.

Dazu ein Beispiel aus unserer Gemeinde: Ein Mann, der inzwischen im Elsass wohnt, erzählt mir, dass er dort auf dem Land seine Tiere versorgt. Was für Tiere, frage ich. Er berichtet von einer blinden Katze, von einem Kalb, das eigentlich geschlachtet werden sollte, und von einigen alten und behinderten Hühnern. Du hast so etwas wie einen Gnadenhof, sagt seine Mutter. So was gibt´s in Frankreich ja kaum, sagt der Mann.
Gnadenhof – ich finde das ein schönes Modell. Tiere werden nicht zuerst als Nutztiere betrachtet, sondern sie dürfen sein. Auch die Behinderten und Alten. Gnade – das heißt, nicht der Nutzen steht im Vordergrund.

Wenn ich die Botschaft der Engel höre: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden – dann denke ich auch an die Tiere, an die geschundene Kreatur – und wünsche mir, dass wir uns neu auf den Weg machen zu einem anderen Umgang auch mit Tieren.
So machen die Engel Mut, sich neu auf den Weg des Friedens zu begeben. Selbst Bote oder Botin des Friedens werden, im Kleinen wie im Großen. Sich nicht abfinden mit der Welt, wie sie ist. Herausgehen aus den alten Denkmustern. Dann heißt es nicht mehr: der Stärkere setzt sich durch. Sondern: wir trauen der Liebe etwas zu. Dann gilt nicht mehr: die Welt wird sich nie ändern, und ich kann auch nicht aus meiner Haut. Sondern: ich versuche den eigenen Lebensstil zu ändern, und traue das auch den anderen zu.

Was ist in diesem Jahr an Weihnachten wichtig?
Ich schließe noch einmal mit dem, was die Engel sagen – und wünsche Ihnen und uns allen, dass uns diese Worte in den kommenden Tagen stärken:
Fürchtet euch nicht. Ich verkündige euch eine große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren.
Und:
Ehre sei Gott in der Höhe – und Frieden auf Erden.

Amen

Es gilt das gesprochene Wort.

 

"Brot für die Welt" und "Adveniat" bitten in diesem Jahr  mit einem besonders dringenden Appell um Spenden. Wegen des harten Lockdowns fürchten die kirchlichen Hilfswerke, dass die Möglichkeiten des Gottesdienstbesuchs an Heiligabend und Weihnachten weiter eingeschränkt werden und weniger Menschen spenden. Dabei leiden insbesondere die Menschen im Globalen Süden unter den wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns, denn viele Einkommensmöglichkeiten für Tagelöhner oder Straßenverkäuferinnen sind weggebrochen. Eine soziale Absicherung gibt es nicht. Spenden und Kollekten sind daher in diesem Jahr besonders wichtig, um
die dramatischen Folgen der Corona-Pandemie aufzufangen.

Für Brot für die Welt können Sie online spenden unter: https://www.brot-fuer-die-welt.de/spenden/jetzt-helfen/spenden.php?wf=2&t1=10&s=25