Den Hunger überwinden

Verdorrtes Getreidefeld

Gemeinfrei via unsplash/ Keagan Hanman

Den Hunger überwinden
Wie die Kirchen gemeinschaftlich handeln können
16.10.2020 - 06:35
Über die Sendung

Die Gedanken zur Woche im DLF.

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Heute am 16. Oktober ist Welthungertag, manche nennen ihn auch Welternährungstag. Die Benennung führt mitten ins Thema: Welcher Begriff ist zutreffender? Geht es ausschließlich um den Hunger auf der Welt? Oder geht es auch darum, wie wir uns ernähren?

Mir kommen die Bilder von Kindern mit geblähten Hungerbäuchen in den Sinn, dann die brennenden Wälder am Amazonas, die nitratverseuchten Böden Brandenburgs, die Coronahotspots in Großschlachthöfen. Das Bindeglied ist die Art und Weise wie wir uns ernähren. Wie wir Nahrungsmittel produzieren, konsumieren und verteilen.

Zusammengenommen sin das ziemlich aussagekräftige Implikatoren über den Entwicklungsstand unserer Zivilisation. In den neunziger Jahren haben Jugendliche bei Konfirmandenfahrten noch darüber diskutiert was wem schmeckt. Heute läuft die Diskussion entlang der Linie: vegetarisch oder vegan. Dass auf einer Jugendreise ruhig mal auf Fleisch verzichtet werden kann, ist eigentlich kein Thema mehr. Und der Impuls dazu kam nicht von uns Alten, sondern von den Jugendlichen. Wer mit „Fridays for Future” auf die Straße geht, hat nicht nur Fahrräder und Ökostrom im Sinn, sondern hat begriffen, dass es um ein gesamtgesellschaftliches Umsteuern geht.

Der diesjährige Friedensnobelpreis ging an das Welternährungsprogamm der Vereinten Nationen. Gut so, denn noch immer sind fast 690 Millionen Menschen unterernährt. (1) und durch Corona steigt die Zahl sogar wieder an. Hungernde brauchen Hilfe. Und ja – der Kampf gegen Hunger ist auch ein Beitrag zum Frieden, er hilft, Fluchtursachen zu vermeiden. Deutschland ist sogar der zweitgrößte Sponsor des Welternährungsprogramms. Damit wird der Hunger zwar gemildert, überwunden wird er mit diesen Notrationen nicht. Und setzt man das deutsche Hilfsprogramm in Beziehung zu einer europäischen Agrar- und Wirtschaftspolitik, die afrikanischen Landwirten schadet – dann wirken diese milden Gaben allenfalls symbolisch und wenig überzeugend.

Beim Thema Hunger halte ich auch einen kritischen Blick auf die Rolle der Kirchen für wichtig. Zentral in meiner Religion ist das Abendmahl. Es verbindet alle christlichen Kirchen. Jesus selbst setzte es ein als Zeichen der Gemeinschaft. 

Doch statt Gemeinschaft gibt es Streit. Mit wem teilen Jesu Nachfolger Brot und Wein? Nur mit den eigenen Leuten? Nur mit denen, die so glauben wie ich selbst? Und wie feiern sie das Abendmahl? Nur symbolisch, mit einer Oblate und einem Schluck aus dem Kelch oder mit einem sättigenden Mahl?

Die Bibel erzählt anschaulich, worum es Jesus ging. Bei allem, was er tat und predigte, bewegte ihn die Not der Menschen. Und deshalb meine ich, dass es unchristlich ist, über die Tischordnung zu streiten, solange jemand neben uns sitzt und hungert. 

Gerade die Kirchen könnten dem gesellschaftlichen Diskurs wichtige Anregung für die Überwindung von Hunger geben. Die Sozialenzyklika „Fratelli Tutti“ von Papst Franziskus gibt beachtenswerte Impulse. Mein Traum: Die verschiedenen christlichen Kirchen treffen sich zu einem ökumenischen Weltkongress, um die Abendmahlstheologie mit einem Programm zur Überwindung des Hungers zu verbinden. Und dabei ginge es nicht um caritative Nothilfe, sondern um eine gerechte und ökologische Weltwirtschaftsordnung. Das wäre ein deutliches Votum des christlichen Glaubens – und ein neuer Anfang, um den Menschheitsskandal Hunger endlich zu überwinden. Und wer ergreift die Initiative? Vielleicht ja der Ökumenische Rat der Kirchen in Deutschland.

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