Gehört das Christentum zu Deutschland?

Morgenandacht
Gehört das Christentum zu Deutschland?
Kreuze und Kruzifixe
13.06.2018 - 06:35
01.03.2018
Matthias Viertel
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Der Ministerpräsident Bayerns hängt im Eingangsbereich der Staatskanzlei ein Kreuz auf und kündigt an: das soll in allen Behörden seines Bundeslands  geschehen. Damit begann die Auseinandersetzung. Prompt meldete sich Kritik mit der Forderung, der Staat müsse sich in Religionsangelegenheiten neutral verhalten. Und das Aufhängen eines Kreuzes verletze diese Neutralitätspflicht.

Die Meinung der Bevölkerung scheint in diesem Fall relativ eindeutig.  Nur knapp ein Drittel befürwortet das amtliche Bekenntnis zum Kreuz. Selbst unter den Mitgliedern der beiden großen Kirchen fand sich keine Mehrheit für den Beschluss der bayrischen Regierung. Und auch Vertreter der Kirchen äußerten ihre Bedenken: Sie befürchten nämlich, das Kreuz als christliches Symbol könne hier für politische Zwecke missbraucht werden. Und: Vor allem dürfe es  auf keinen Fall ausgrenzende Wirkung haben.

Inzwischen ist die Entscheidung amtlich. Aber die Diskussion um diese Entscheidung wird nach wie vor mit viel Aufregung geführt. Was genau wird da eigentlich diskutiert? Und geht der Streit um das Kreuz in den Behörden nicht am Thema vorbei? Mit einem genaueren Blick könnte die Diskussion  einiges an Verbitterung verlieren.

Zunächst einmal sollte bedacht werden, dass es in dieser Kontroverse im Grunde genommen weniger um das Kreuz als Symbol geht. Wäre das Kreuz selbst das, woran Anstoß genommen wird, müsste es erheblichen Protest beispielsweise auch beim Roten Kreuz geben, jener gemeinnützigen Einrichtung, die internationale Anerkennung genießt und die christliche Verpflichtung auf das Kreuz als Logo übernommen hat. Oder die Fahnen der skandinavischen Länder,  sie alle haben das Kreuz übernommen und geben dadurch schon nach außen ihre christliche Verwurzelung der sogenannten skandinavischen Werte deutlich zu erkennen. In allen diesen Fällen bleibt der Protest aus. Und das ist nicht verwunderlich, denn bei der Auseinandersetzung, geht es eben nicht um das Symbol des Kreuzes an sich. Zur Debatte steht vielmehr der Versuch, das Kreuz als Aushängeschild zu benutzen.

Schon Kaiser Konstantin ließ im 4. Jahrhundert seine Soldaten ein Kreuz auf die Schilder zu malen, um dadurch seine Feinde zu beeindrucken. Er wollte die Macht des Kreuzes als Darstellung der eigenen militärischen Macht nutzen. Seitdem wird es kritisch betrachtet, wenn religiöse Symbole in politischen Zusammenhängen auftauchen.

Aber noch etwas anderes ist viel wichtiger. Nämlich die Frage, was das Kreuz eigentlich aussagen soll! Zu aller erst erinnert es an den Tod Jesu und darüber hinaus an seine Auferstehung. Als christliches Symbol ist das Kreuz immer beides zugleich: Die Hinwendung zu den leidenden Menschen, zu den Ausgegrenzten und Verfolgten. Es zeigt den unbedingten Willen, nicht über Unrecht hinweg zu schauen und den entrechteten Menschen Stimme und Aufmerksamkeit zu leihen. Aber noch mehr, denn das Kreuz weist auch auf die Auferstehung hin, und damit auf die feste Überzeugung, dass Unrecht und Leid nicht das letzte Wort behalten dürfen und es auch nicht behalten werden. Wer an das Kreuz appelliert, zeigt die eigene Bereitschaft, sich dafür auch einzusetzen. Das Kreuz trägt in sich immer die Kraft der Solidarität mit Menschen, die unterdrückt werden und leiden.

So gesehen ist das Kreuz im christlichen Sinn tatsächlich nicht ein allgemeines  Symbol für die Kultur, sondern sogar ein konkrete Aufforderung. Und deshalb gehört es auch unbedingt in die Köpfe der Menschen und nicht an die Wände der Behörden.  Christliche Überzeugungen lassen sich nicht anordnen und auch nicht verordnen. Sie müssen vielmehr gelebt werden. Und wenn wir  genau hinschauen, gibt es da unter unseren Mitmenschen mehr an gelebten Glauben zu entdecken, als Pessimisten vermuten.

01.03.2018
Matthias Viertel