Ins Meeres Tiefe hin

Morgenandacht
Ins Meeres Tiefe hin
21.08.2019 - 06:35
13.06.2019
Stephan Krebs
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Im Sommer zieht es Millionen Urlauber ans Meer. Der Strand, die Wellen, der Blick in die Weite der See – all das tut der Seele gut. Das Meer ist ein Sehnsuchtsort für gestresste Menschen. Die Angst um Existenz und Job, die unlösbaren Probleme in der Familie und manches andere – das verschwindet zwar nicht. Aber es wirkt nicht mehr so bedrängend, wenn man hinausschaut auf die Weite des Meeres.

 

Was Menschen für das Meer empfinden, wirkt sich auch auf ihre religiösen Vorstellungen aus. Es zeigt sich in Texten, die vom Glauben handeln, wie etwa die Choräle von Paul Gerhard. Einer von ihnen trägt den Titel: „Nun danket all und bringet Ehr“. In der 5. Strophe geht es um das Meer:

 

„Gott gebe uns ein fröhlich‘ Herz

erfrische Geist und Sinn

und werf‘ all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz

ins Meeres Tiefe hin.“

 

Dieser Vers von Paul Gerhard spricht aus der Seele. Der Wunsch, alles, was drückt und belastet, loszuwerden. Einfach weg, am besten für immer. Angst und Sorge, Furcht und Schmerz – ab damit in die Tiefe des Meeres. Denn von diesem scheinbar unergründlichen Ort kehrt nichts zurück.

 

Leider handeln viele auch heute noch so. Denn die Weite des Meeres hat noch eine andere Wirkung. Dem scheinbar so unendlich weiten Meer übergeben Menschen seit Jahrtausenden auch sonst alles, was sie loswerden wollen, am liebsten für immer: Müll, Waffen, Chemikalien, Altöl, Plastik. Das Meer schien für all das eine unerschöpfliche Müllkippe zu sein. Aus den Augen – aus dem Sinn. Auf grausame Weise trifft das heute sogar auch auf Menschen zu. Für viele, die auf der Flucht sind, wird das Mittelmeer zur tödlichen Endstation.

 

Über dieses Bild vom Meer als Entsorgungsstation kann man heute nur den Kopf schütteln. Zum Glück wissen wir es längst besser. Der ökologische geschulte Blick auf die Welt sagt: Nichts verschwindet von der Erde. Die Dinge mögen in der Tiefe irgendwo verborgen sein. Sie mögen ihre Gestalt verändern. Aber sie bleiben immer da. Als jüngst ein Spezialunterseeboot zu den tiefsten Bereichen des Meeres vordrang, fand man dort: eine Plastiktüte. Diese gefährliche Begleiterscheinung der Menschheit war ihr also dorthin schon vorausgeeilt. Was im Meer landet, kommt irgendwann wieder zum Vorschein: Es wird angespült an den Stränden und Küsten, wo viele Menschen Urlaub machen wollen. Oder es landet in den Mägen der Fische, dann in den Netzen der Fischer und zuletzt in den Körpern von Menschen. Höchste Zeit also umzudenken: Bei Plastik, bei den Waffen, bei den Chemikalien. Besonders bei den Menschen. Und auch im Glauben.

 

Damit fangen wir zum Glück nicht bei null an. Auch früher schon haben Menschen das Meer nicht nur als Sündenkippe gesehen, sondern auch anders. Das zeigen die evangelischen Kirchenlieder. Besonders gut gefällt mir die 2. Strophe des Chorals „Herr, du hast mich angerührt“. Sie lautet:

 

„Dank für deinen Trost, o Herr.

Dank selbst für die schlimmen Stunden

da im aufgewühlten Meer

sinkend schon ich Halt gefunden.

Du hörst auch den stummen Schrei,

gehst im Dunkeln nicht vorbei.“

 

In dieser Strophe wird das Meer zum Bild für das Leben. Oft ist es aufgewühlt und bedrohlich, jedenfalls eine unberechenbare Macht. Gerade dort wird Gottes Trost wirksam. Und Gottes Hilfe. Wie eine Hand, die mich festhält, sodass ich nicht versinke. Gott zieht einen aus der Tiefe heraus und schenkt neues Leben.

 

Das Meer als Bild für das Wirken Gottes. Das kann helfen, das Meer anders zu sehen, die Zusammenhänge besser zu verstehen und es dann auch besser zu behandeln. Das ist dringend notwendig, denn das Meer ermöglicht das Leben auf der Welt. Das gilt nicht nur für Urlauber, sondern für alle.

 

Liednachweis:

EG 322, 5

EG 383, 2

 

Es gilt das gesprochene Wort.

13.06.2019
Stephan Krebs