Jesusbücher

Morgenandacht
Jesusbücher
17.10.2016 - 06:35
17.10.2016
Pfarrer Jörg Machel

„Ich bin klein, mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein.“ Das war mein erstes Kindergebet. Meine Oma hat es mir beigebracht. Ich habe es nicht lange gebetet, dann konnte ich das „Vaterunser“ mit den Großen mitsprechen und war nicht mehr klein. Aber wer ist dieser Jesus, der Platz nehmen soll in meinem Herzen? Diese Frage blieb und beschäftigt mich bis heute.


Jesusbücher füllen in meinem Regal einen guten Meter. Das ist lächerlich wenig, wenn man die Büchermassen anschaut, die Jahr für Jahr mit der Frankfurter Buchmesse auf den Markt geworfen werden. Aber schon meine noch überschaubare Handbibliothek zeigt Jesus so vielfältig und widersprüchlich, dass es schwerfällt, daraus ein stimmiges Jesusbild abzuleiten, einen Jesus, der mir Orientierung und Halt gibt.


Schon die einzelnen Titel deuten an, in welch unterschiedliche Richtungen da geblickt wird: „der ökologische Jesus“, „der kosmische Christus“, „Jesus in schlechter Gesellschaft“, „Jesus Christus Gottessohn“, „Jesus, der erste Mann“.


Bei manchen Titeln kann man schon aus den Reizwörtern das Erscheinungsjahr erahnen und ist geneigt, auch gleich das Verfallsdatum hinzuzufügen. Doch das wäre voreilig. Ernst Bloch sagte einmal: „Nichts wird so überschätzt wie die Zeitung von heute und nichts so unterschätzt wie die Zeitung von gestern.“ So unsinnig es ist, von einem Jesusbuch zu erwarten, dass es einem endlich und nun endgültig, das Jesusrätsel der Kindheit löst, so falsch ist es, die einzelnen Aspekte gering zu schätzen, die in aktuellen Diskussionen mit Blick auf Jesus in besonderer Schärfe deutlich werden.
Den Irrtum, der darin steckt, dass man meint, ein erschöpfendes endgültiges Jesusbild zeichnen zu können, hat Albert Schweitzer in seinem epochalen Werk, die „Geschichte der Leben Jesu Forschung“ herausgearbeitet.


Vielen dürfte Albert Schweitzer als der Urwalddoktor aus Lambarene bekannt sein, manche werden wissen, dass er ein herausragender Organist und Bachforscher war, als Theologe ist er eigentlich nur Fachleuten bekannt.


Doch nur von seinen theologischen Einsichten her erschließt sich sein soziales und künstlerisches Engagement. Albert Schweitzer hat festgestellt, dass es keine objektive Darstellung des Lebens Jesu gibt und auch gar nicht geben kann. Immer mischt sich der Forscher, Erzähler, Interpret mit ein. Immer ist das Jesusbild einer Epoche auch Spiegelbild der Epoche selbst.


Im Jahre 1913 schreibt Albert Schweitzer: „Ein so schmerzliches und entsagungsvolles Ringen um die Wahrheit, wie es in dem Leben-Jesu der letzten 100 Jahre beschlossen liegt, hatte die Welt noch nie gesehen und wird es nie mehr sehen."


Ich vermute, da hat der große Gelehrte die Wirkkraft Jesu unterschätzt. Das Ringen ging weiter und es hat nicht geendet bis auf den heutigen Tag. Vielleicht haben die Gelehrten mit seinem Buch Abschied genommen von der Vorstellung die alleinige Wahrheit über das Leben Jesu finden zu können, aber die Sehnsucht, über die Beschäftigung mit Jesus der Wahrheit des Lebens auf den Grund zu kommen, ist geblieben.


In dieser Woche, wenn sich in Frankfurt am Main die Menschen in den Messehallen drängen, möchte ich ein paar Jesusbücher vorstellen, die mich angeregt haben, meinem Leben eine Richtung zu geben.


Auch wenn das Fazit von Albert Schweitzer in seinem Jesusbuch nicht unwidersprochen blieb, hat er persönlich den Anspruch durch sein Leben gedeckt. Er sagt, es komme darauf an, „dass wir den Gedanken des durch sittliche Arbeit zu schaffenden Reiches mit derselben Vehemenz denken, mit der er (Jesus) den von göttlicher Intervention zu erwartenden in sich bewegte."

17.10.2016
Pfarrer Jörg Machel