Pelikane

Morgenandacht

Bild: Thomas Dörken-Kucharz

Pelikane
01.06.2019 - 06:35
25.04.2019
Thomas Dörken-Kucharz
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Pelikane findet man auf dem Wasserfarbkasten, dem Tintenfass oder dem Füllfederhalter, in echt findet man sie hierzulande nur noch im Zoo. Leider. Als die Flüsse noch sauber und fischreich waren, gab es sie auch im nördlichen Europa z. B. in der Rhein- und der Elbemündung. Das ist viele, viele Jahre her, erklärt aber, warum der Pelikan hierzulande in manchen Wappen enthalten ist. So ist er auch zu einer der ältesten Warenschutzmarken in Deutschland geworden für eben jene Schulwerkzeuge, die mich zum Beispiel seit der ersten Klasse begleitet haben.

Vor einem Vierteljahr habe ich in Israel zum ersten Mal Pelikane als Zugvögel gesehen. Sie glitten in V-Formation über mir am Himmel dahin. Ich war fasziniert von diesen großen Vögeln; und wusste bis dahin gar nicht, dass sie Zugvögel sind. Es stimmt aber, einige Pelikanarten sind es. Das ganze trug sich in Galiläa zu. Und inzwischen weiß ich, die Pelikane kamen ziemlich sicher aus dem Nildelta und waren unterwegs zu Ihrem jährlichen Zwischenstopp in der nördlichen Jordanebene. Von dort aus ziehen sie dann weiter zum Donaudelta am Schwarzen Meer. Was aber haben Pelikane in einer Andacht verloren, wenn man davon absieht, dass sicherlich auch Jesus sie schon in Galiläa erlebt hat, denn sie nehmen diesen Weg seit Jahrtausenden. Nun, der Pelikan ist ein ganz altes christliches Symbol, und zwar ein Symbol für Jesus selbst. In vielen alten Kirchen findet man entsprechende Darstellungen, die einen großen Pelikan zeigen, der sich im Nest seiner hungrigen Brut zuwendet. Mit seinem Schnabel pickt er dabei seine eigene Brust auf – und deren Blut sättigt dann die hungrigen Pelikanbabys. Solches glaubte man beobachtet zu haben und so wurde der Pelikan zum Symbol eines sich selbst für seine Kinder opfernden Vogels. Das führte sogar zu der Wortbildung „sich pelikanisieren“ als Ausdruck der Selbstaufopferung. Die christliche Deutung „Der Pelikan ist wie Jesus“ lag nahe und findet sich erstmals schon im 4. Jahrhundert nach Christus.

Heute wissen wir durch intensivere Naturbeobachtung, dank Ferngläsern und Teleobjektiven, dass der Pelikan mitnichten seine Brust aufreißt und sein Leben für seine Jungen hingibt. Er bringt den Jungen im Nest seinen Fischfang – geborgen in seinem Kehlsack. Und die Jungen tauchen mit ihren Schnäbeln dann tief in diesen Kehlsack ein um die Fische herauszuholen. Ob es dann Fischblut war, das die elterliche Brust rot färbt oder ob es der rote Kehlsack der Pelikane in der Brunftzeit war, die zu der Annahme der Selbstaufopferung führte, ist unklar. In jedem Fall liegt da ein Irrtum vor – zumindest, was die Biologie, die real existierenden Pelikane angeht. Und der Irrtum raubt dem alten Symbol natürlich seine ursprüngliche Kraft. Denn Pelikane sind keine kleinen Jesusse, die sich für ihre Kinder selbst opfern. Aber als religiöses Bild bleibt es dennoch stark, auch wenn es keinen echten Anhalt in der Natur hat. Denn dass man als Mutter oder Vater im Extremfall sogar bereit ist, sein Leben für seine Kinder zu geben, das liegt ja nun nicht so ferne. Und dass Gott genau so ist und uns so sehr liebt, dass er sein Leben gibt, das eben glauben Christen mit gutem Grund. Der Normalfall ist das aber nicht – weder für den Pelikan noch für uns Menschen. Der Pelikan sorgt für seine Jungen und tut viel für sie, aber er opfert sich nicht einfach selbst. Sich selbst opfern kann man ja auch nur einmal. Ein Pelikan, der seine Brust aufreißt, könnte seine Kinder ein einziges Mal sättigen und stürbe dann. Was ist am nächsten Tag, was am übernächsten?

Vielleicht taugt der Pelikan ja vielmehr als gutes Symbol dafür, dass Selbstaufopferung kein Rezept ist für Eltern und für alle, die in Pflege und Erziehung tätig sind. Es gehört auch Selbstliebe und Selbsterhaltung dazu, damit Erziehung und Pflege gelingen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

25.04.2019
Thomas Dörken-Kucharz