Stille Retter in Seenot

Morgenandacht
Stille Retter in Seenot
13.11.2019 - 06:35
18.07.2019
Claudia Aue
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Wasser kann verwandeln. Manche leben am Meer, sind „Meermenschen“ durch und durch, brauchen das Wasser zum Leben. Um sich frei zu fühlen und heimisch. Sie sind andere als die, die in den Bergen wohnen oder im Binnenland. Andere werden wundersam gerettet aus Seenot. Ganz dramatisch oder auch ganz ruhig. Wie Madita und Lisabet aus dem Buch Madita von Astrid Lindgren. Dabei wollten sie eigentlich nur Mose spielen. Denn Madita hat immer gute Ideen. Manchmal ist sie hellsichtig – und manchmal springt sie auch vom Dach, weil sie fliegen kann. Meint sie. Und einmal eben war sie die Tochter des Pharaos. Sie findet Mose im Schilf und rettet ihn.

 

Das spielen Madita und Lisabet, Lindgrens kleine Heldinnen. In dem Buch heißt es:

 

„Manchmal erzählt Madita ihr – also Lisabet – aber auch Geschichten aus der Bibel, die sie von Linus-Ida gehört hat. Und darum weiß Lisabet sehr gut, wer Moses ist. Sie weiß, dass er im Wasser gelegen hat, und dann ist Pharaos Tochter gekommen, die Prinzessin im Ägyptenland war, und hat ihn da gefunden“.

 

Eine Wassergeschichte. In der ein Baby gerettet wird. In einem Körbchen setzt die Mutter es aus, um es zu schützen. Ein guter Impuls also. Und doch fand ich es schon als Kind gruselig. Ein so kleines Wesen treibt in einem Körbchen auf dem Wasser. In der biblischen Geschichte geht alles gut aus. Also spielen Madita und Lisabet das Ganze fröhlich nach:

 

„Madita wuchtet den Zuber ins Wasser. Der Zuber ist schwer, aber Madita ist stark. Viel Schilf gibt es ja nicht im Fluss, aber gerade vor dem Giebel der Waschküche wächst ein großes Büschel.“ Madita holt noch ihr Prinzessinnenkleid – den Morgenmantel von Mama ….Astrid Lindgren erzählt weiter:

 

„Lisabet hat es in ihrem Waschzuber inzwischen ganz gemütlich, wenn auch ziemlich nass. Der Schilf wiegt sich im Wind, die Libellen flitzen blau zwischen den Stauden durch und rings um den Zuber schwimmen winzige Fischchen.“ Dann aber kippt die idyllische Szene:

„… ein Kind aus dem Nil zu retten, ist ziemlich schwierig, das merkt Madita bald. Lisabet hängt an ihr wie ein schwerer Klumpen Blei und der Morgenrock rutscht und will dauernd ins Wasser tauchen. …“

 

Und es kommt, wie es kommen musste: „Und darum kann sie – Madita – nur ein paar wütende Hopser machen, um Lisabet abzuschütteln“. Noch ist alles harmlos. Lisabet ist ins flache Wasser gefallen. Und auf dem Steg steht der Nachbarsjunge Abbe und feixt. „Hopst bloß nicht ins Schlundloch“, sagt er und spuckt ins Wasser. Wenig später aber geraten die Mädchen doch ins tiefe Wasser und der Nachbar muss die beiden Schwestern genau aus diesem Schlundloch retten. „Seelenruhig greift er nach einem Bootshaken“ heißt es in der Geschichte – und doch wird klar, wie dramatisch sie ist. Und der 15jährige Abbe, der ständig für seinen alkoholkranken Vater einstehen muss, ist der stille Retter.

 

Ähnlich wie bei dem biblischen Mose, der so malerisch im Schilf treibt. Gerettet durch die Hand einer Fremden. Auch sie, die Tochter des Pharaos, hätte man nicht erwartet. Ihre Hände – der Bootshaken Abbes: rettende Helfer im Nil und im Schlundloch.

 

Manchmal gerät jemand in Seenot und es gibt helfende Hände. Manchmal wird erst viel später klar, wer mich da gerettet hat – denn die Rettung kam ganz leise daher. Ganz unprätentiös. Seelenruhig hat jemand nach einem Bootshaken gegriffen und ihn mir hingehalten. Seelenruhig hat mir vielleicht jemand zugehört, als ich es brauchte. Mir einen Kaffee eingeschenkt oder einfach nur auf der Bank neben mir gesessen und geschwiegen. Vielleicht erinnere ich mich erst später daran. Wenn ich schon trocken und fröhlich wieder Land sehe. Werde dankbar, weil ich plötzlich verstehe, wie sehr mir jemand geholfen hat – für mich da war.

 

Ich weiß nicht, wie es Madita und Lisabet mit ihrer Wasser-Rettung erging. Lisabet ist verstummt und verdrossen und kaut an ihrem Zuckerkringel. Abbe hat ihn ihr geschenkt. In diesem Moment ist den beiden vermutlich noch gar nicht klar, was ihnen gerade widerfahren ist. Gerade, weil der Retter die Ruhe bewahrt hat. Im Buch heißt es schlicht, dass sie wenig später trocken und quietschvergnügt in der Küche saßen. Seelenruhig.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

18.07.2019
Claudia Aue