So Gott will

Wort zum Tage
So Gott will
04.11.2020 - 06:20
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„Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt.“ Ich gehöre zu den glücklichen Menschen, die als Kind abends vorgelesen bekamen. Und manchmal haben wir sogar gesungen. Aber das mochte ich gar nicht so gerne, wegen genau dieser Zeile in dem Lied: „Guten Abend, gut Nacht, mit Rosen bedacht / mit Näglein besteckt / schlupf unter die Deck.“

Als Kind ist man ja oft erstaunlich bereit dazu, sich über vollkommen Unverständliches nicht weiter zu wundern. Schwieriger sind die Dinge, die man schon versteht. Und sich dann trotzdem nicht traut, nachzufragen.

So schlüpfte ich zwar erstaunlicherweise ohne Nägel in der Haut, aber doch leicht beunruhigt unter meine Decke. „Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt.“ Was, wenn Gott es sich tatsächlich überlegt, ob er mich morgen früh wieder aufwachen lässt? Ach, das macht er schon nicht, habe ich mich dann getröstet. Er hat mich doch lieb.

Nun habe ich schon die sogenannte Mitte des Lebens erreicht. Aber die Kinderangst kommt trotzdem manchmal zurück. Was ich heute weiß: „Wenn Gott will“, diese Zeile aus dem Gute-Nacht-Lied ist eine mäßig kindgerechte Übertragung eines Wortes aus der Bibel.

Man nennt diese Worte die conditio Jacobaea, den jakobinischen Vorbehalt, weil im Jakobusbrief steht: „Wohlan nun, die ihr sagt: Heute oder morgen wollen wir in die oder die Stadt gehen und wollen ein Jahr dort zubringen und Handel treiben und Gewinn machen - und wisst nicht, was morgen sein wird. Was ist euer Leben? Dunst seid ihr, der eine kleine Zeit bleibt und dann verschwindet. Dagegen solltet ihr sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun.“

Wir haben durch die Pandemie spürbar erfahren, wie schnell alle unsere Pläne zunichte gemacht wurden und dass sich die Dinge viel schneller ändern, als wir es uns je vorstellen konnten. Diese Erfahrung ist gerade besonders bedrängend – aber wirklich neu ist sie nicht. Alles, was wir planen, steht unter dem Vorbehalt, dass wir unser Leben nicht selbst in der Hand haben. SCJ, sub conditione Jacobea, diese drei Buchstaben fügte man in früheren Zeiten Briefen an, in denen Reise- und andere Pläne formuliert wurden. Zu einer christlichen Lebenshaltung gehören sie für mich dazu. Sie haben etwas mit dem altmodischen Wort Demut zu tun. Und mit dem Vertrauen zu Gott. Das war für mich schon als Kind stärker als die Angst.

Es gilt das gesprochene Wort.