Das Erste am Morgen

Wort zum Tage
Das Erste am Morgen
12.10.2015 - 06:23
25.06.2015
Dietrich Heyde

„Jetzt fängt der Zirkus von neuem an“, hörte ich jemanden sagen. „Schon wenn ich aufgewacht bin, denke ich, das packst du nie!“

 

Die ersten Gedanken, die wir morgens beim Aufstehen haben, sind alles andere als unwichtig. Sie beeinflussen uns. Sie sind so eine Art Vorzeichen für den ganzen Tag.Jede Minute, meinte mal jemand, ist eine Masche im Strickzeug des Lebens. Ob unsere Tage rabenschwarz und rau oder zart und hell werden, liegt auch am Gedankengarn, das wir verstricken.

 

Es gibt Tage, die wie ein Berg vor uns stehen. Da sind schwierige Fragen im Betrieb zu lösen. Oder menschliche Probleme am Arbeitsplatz, in der Schule oder zu Hause. Oder man hat ganz einfach Ärger mit sich selbst. Aus Erfahrung wissen wir, dass dies oft am schwierigsten ist – mit sich selber fertig zu werden, sich selbst auszuhalten mit den Grenzen und Möglichkeiten, die einem gerade gegeben sind. Die Frage ist, wie reagieren wir auf Anforderungen, auf Schwierigkeiten, Missgeschicke oder Mitmenschen?

 

Natürlich: Wie wir reagieren, ist auch Temperamentssache. Aber nicht nur. Deutlicher als wir heute hat die frühe Christenheit um Kraft und Wirkung von Gedanken gewusst, die sich als erstes und spontan in bestimmten Situationen einstellen:

Wenn du dich vom Schlaf erhebst, heißt es einmal, so öffne als allererstes deinen Mund zum Lob Gottes und stimme Lieder und Psalmen an. Denn die erste Beschäftigung, mit der sich der Geist morgens abgibt, hält an, so wie ein Mahlstein den ganzen Tag über mahlt, was ihm vorgesetzt wird, es sei nun Weizen oder Unkraut. Daher sei du immer der erste, um Weizen hineinzuwerfen, bevor dein Feind Unkraut hineinwerfen kann.[1]

 

Man wusste also, dass negative Gedanken und Sprüche lähmen und Energie rauben. Dazu gehören Sätze wie:  „das schaff` ich nie“ – „jeden Tag dasselbe“ – oder: „das kann auch nur mir passieren“ - „warum immer ich und nicht die anderen“ … Sie halten uns bei schlechter Laune und in Selbstmitleid und Ärger gefangen. Ja, sie können – fortwährend wiederholt – geradezu  krank machen. Nötig sind demgegenüber Gedanken und Worte, die nichts beschönigen, aber doch beflügeln; die nicht verharmlosen, aber doch Kraft und inneren Schwung geben, auch Schwieriges gelassen und mit fröhlichem Herzen anzupacken.

 

„Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird`s wohl machen“ (Psalm 37,5) – ist solch ein Wort für mich, das Kraft gibt.

Wenn ich morgens nach dem Aufwachen zuerst danke für den neuen Tag und Gott meine Wege anbefehle, dann lebe ich anders, - viel gelassener, getroster und zuversichtlicher.

 

[1] Anselm Grün, Nr. 19 Münsterschwarzacher Kleinschriften, Vier-Türme-Vlg.-Münsterschwarzach, 1983, S.30 (8 Zeilen) – aus: Les sentences des peres du desert, nouveau recueil, hrsg. v. L. Regnault, Solesmes 1977, N 592/43

25.06.2015
Dietrich Heyde