Die Kraft der Resonanz

Wort zum Tage
Die Kraft der Resonanz
08.06.2015 - 06:23
31.03.2015
Pfarrerin Marianne Ludwig

Einen Menschen absichtlich zu übersehen, gehört zum Waffenarsenal der sogenannten schwarzen Pädagogik. Wenn ich einem Menschen nicht antworte, den Blickkontakt verweigere, dann tue ich so, als ob er nicht existiert. Dabei ist Gesehen-Werden lebensnotwendig. Soziologen sagen: Ich muss Resonanz in meiner Welt erfahren können. Wer die Welt, vielleicht auch sich selbst als kalt und stumm erlebt, wer da keine Resonanz spüren kann, findet oft nur mit viel Hilfe wieder ins Leben zurück.

    Eine solche Hilfe ist für viele die Kraft der Musik. Wenn Menschen ein Instrument in die Hand nehmen und lernen, darauf zu spielen, machen sie oft eine beglückende Erfahrung: Ich kann in der Musik das mitteilen, wofür mir die Worte fehlen. Und meine Musik wird gehört, berührt den anderen, seelisch und körperlich. Und jenseits aller Worte ist es möglich, den anderen zu verstehen.

 

Auf dieser Erfahrung baut ein Projekt im Kongo auf, das sich um ehemalige Kindersoldaten bemüht. Diese geschändeten Kinder können in ihre Familien nicht mehr zurückkehren. Vor allem mit Hilfe der Musik sollen sich die Kinder wieder den Weg in die Gesellschaft bahnen. Deshalb lernen sie Trommeln, Tanzen, Musizieren: „Durch Musik kann ich das Leid ausdrücken, das ich in mir trage“, sagt einer von ihnen. Und andere nicken und bestätigen das.

 

 Musik hilft den Kindern, mit der Welt wieder in Kontakt zu treten. Wenn sie vor anderen auftreten, reißen sie ihre Zuhörer mit. Die Kinder erleben: Die Welt verstummt nicht mehr, wenn sie ihr gegenübertreten, sondern antwortet freundlich. Dann kann es gelingen, wieder zur Schule zu gehen, einen Berufsabschluss zu erwerben und zurück ins Leben zu finden.

 

Für mich als Christin steckt darin eine religiöse Erfahrung. Denn auch die Bibel gibt ein großartiges Versprechen von Resonanz. Die Menschen der Bibel beten, flehen, schreien; sie hoffen, sie werden gehört und gesehen und sie warten auf eine Antwort. Manchmal müssen sie lange warten. Aber sie warten nicht vergebens. „Ich will mich wieder zu Euch wenden”, lautet Gottes immer wiederkehrende Antwort. „Ich will euch heben, tragen und retten.” (Jes. 46,4) Diese Worte sind wie gesprochene Musik, in der die Seele aufgehen kann. Wer ihnen Gehör schenkt, für den beginnt die Welt wieder zu singen. Und das Leben kehrt zurück…

31.03.2015
Pfarrerin Marianne Ludwig