Einer braucht ihn

Wort zum Tage

Gemeinfrei via pixabay/ LudgerA

Einer braucht ihn
mit Pfarrer Michael Becker
15.06.2022 - 06:20
14.01.2022
Michael Becker
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Das Büro ist grau und leer. Mitten drin Herr Schmidt. Auch er ist grau und leer. Gleich beginnt sein Feierabend. Sein letzter Feierabend. Ab Morgen ist Ruhestand. Um 17.00 Uhr steht er auf, geht zum Abschiedsfest und fährt dann mit seiner Frau nach Hause. Das alles erzählt der schon etwas ältere Film „About Schmidt“ (aus dem Jahr 2002; mit Jack Nicholson in der Titelrolle). Herr Schmidt hat Angst vor dem Ruhestand, vor der Leere. Was soll er tun? Wer braucht ihn? Kurz darauf stirbt seine Frau. Er ist allein. Welchen Sinn hat das Leben jetzt?

          Zufällig sieht Herr Schmidt im Fernsehen etwas über Kinder in Afrika. Sie brauchen Hilfe. Herr Schmidt braucht auch Hilfe. Für 20 Euro im Monat übernimmt er die Patenschaft für einen sechsjährigen Jungen. Dem schreibt er jetzt Briefe. Lieber Ndugu, schreibt er, man muss sich an dem freuen, was man hat, solange es da ist. Herr Schmidt freut sich aber nicht. Im Gegenteil. Er setzt sich in sein Wohnmobil und fährt durch Amerika. Erst sucht er das Haus seiner Kindheit. Das ist verschwunden. Dann besucht er seine alte Schule. Da hört ihm niemand zu. Schließlich fährt er zu seiner Tochter. Die will heiraten. Herr Schmidt ist gegen die Heirat. Kann aber nichts ändern. Lieber Ndugu, schreibt er wieder an sein Pflegekind in Afrika. Ihm beichtet Herr Schmidt, dass er nicht mehr gebraucht wird. Alle machen, was sie wollen. Die Welt braucht ihn nicht. Das schreibt er, während er durch Amerika fährt und sich leer vorkommt. Das Pflegekind ist sein letzter Halt. Ihm sagt er, was er wirklich fühlt und denkt. Herr Schmidt fühlt sich unbedeutend, überflüssig. Was auf der Welt ist besser, weil es mich gibt? fragt er sich  und fragt er sein Pflegekind, das noch gar nicht lesen kann.

         Nach Wochen unterwegs kommt Herr Schmidt wieder nach Hause. Keiner wartet auf ihn. In seiner Post ist viel Reklame. Und ein Luftpostbrief. Der kommt aus Afrika. Eine Nonne hat ihn geschrieben. Herr Schmidt öffnet den Brief. Er liest etwas über sein Pflegekind. Dann sieht er das Bild, das Ndugu für ihn gemalt hat. Ein großer Mann ist auf dem Bild. An seiner Hand hält er ein kleines Kind. Herr Schmidt schaut lange auf das Bild. Dann laufen ihm viele Tränen die Backe runter. Freudentränen. Einer, einer braucht ihn. Gott sei Dank. Wie schön.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

14.01.2022
Michael Becker