Plädoyer für den klugen Feigling

Wort zum Tage
Plädoyer für den klugen Feigling
31.07.2018 - 06:20
20.06.2018
Rainer Stuhlmann
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In der Bibel sind viele Geschichten über den Krieg „Anti-Kriegsliteratur“. Nicht alle, aber viele. Sie werben für gewaltfreie Strategien, um Gerechtigkeit und Frieden zu schaffen. Sie kritisieren das alleinige Vertrauen auf militärische Stärke als „Unglauben“. Sie verbieten, den Glauben an Gott zu missbrauchen, um menschliche Gewalt zu rechtfertigen.

In der Bibel ist auch deshalb so viel von Krieg zu lesen, weil schon im antiken Orient der kleine jüdische Staat immer wieder unter die Räder der Interessen der Großmächte geriet. In Jesajas Zeit sind es die Assyrer aus dem Osten die sich anschicken, den Orient für sich zu erobern. Dabei trafen sie auf Ägypten, die andere Großmacht im Westen. Und Hiskia, der König in Jerusalem, steht zwischen den Fronten. Für ihn stellt sich die Schicksalsfrage: Soll er mit Ägypten Widerstand leisten und Krieg führen? Oder soll er sich den Assyrern ergeben und den Krieg vermeiden? Soll er den Helden spielen oder den Feigling?

 

„Spiel nicht die Rolle des törichten Helden, sondern die Rolle des klugen Feiglings!“, riet Jesaja seinem König. Populär war diese Politik nicht, aber klug, und „nachhaltig“. Der, den andere „Feigling“ nennen, ist nämlich oft der, der in Wahrheit mutig ist. Gegen den Strom der Populisten zu schwimmen, dazu gehört Mut. Denen entgegen zu treten, die auf nationale Stärke setzen, dazu gehört Zivilcourage. Schon damals.

 

Jesaja hatte diesen Mut, weil er ein religiöser Revolutionär war. Die übliche religiöse Anschauung war: Jeder Stamm, jedes Volk hat seinen eigenen Gott. Mit ihm im Bunde kämpften die Stämme und Völker gegen die anderen und deren Götter. Es gab Zeiten, da dachten auch die Menschen in Israel so von Gott. Sie nannten ihn „Herr Zebaoth. Herr der Heere“.

 

Jesaja aber revolutionierte diesen Begriff. Für ihn ist der Gott Israels nicht allein Israels Gott, sondern der Herr des ganzen Universums. Also auch der Herr der Ägypter und Assyrer. Mit Israels Gott im Bunde kann man nicht gegen andere kämpfen. Man würde so gegen Gott kämpfen.

Hiskia hörte auf Jesaja. Er betete: „Herr Zebaot, du bist allein Gott über alle Königreiche auf Erden, du hast Himmel und Erde gemacht“ (Jesaja 37,16). Und dann machte er Politik nach diesem Grundsatz. Und Jerusalem hatte Frieden für die nächsten 120 Jahre.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

20.06.2018
Rainer Stuhlmann