Machthabern, die sich für besonders groß halten und alle anderen für klein, zeigen, dass ihr Stuhl wackelt. Das kann Satire – und ein Lied in der Bibel, das die Mutter von Jesus singt.
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"Schneeflocke gesichtet. Bahn stellt deutschlandweit Verkehr ein." Ich lese diese Überschrift auf der Seite des Web-Satire-Magazins "Postillon" und lache. Ja, manchmal scheint es wirklich so.
Ich mag den "Postillon" und seine "ehrlichen Nachrichten" mit Augenzwinkern. Zu seinen Themen gehört natürlich auch die Politik. Zum Beispiel: "Auch das noch: Trump erhebt Anspruch auf Legoland" - "Um sich von C-Parteien zu distanzieren: Jesus lässt seinen Nachnamen ändern" - "11 AfD-Politiker, die nach der Machtübernahme der AfD abgeschoben werden müssen, weil sie nicht deutsch genug sind".
Satire ist die Kunst der Zuspitzung und Übertreibung. Sie zeigt Widersprüche auf. Besonders, wenn Menschen die Angst anderer missbrauchen, um sie klein zu halten.
Solche Satire gibt es auch in der Bibel. Wer mit Gott rechnet, kann nicht anders, als den Kopf schütteln über so manche Übermächtige in der Welt. So singt Maria, die Mutter Jesu:
"Meine Seele preist Gott, den Herrn. Hungrige werden satt, Reiche gehen leer aus. Gott stürzt Mächtige vom Thron und erhöht Niedrige." (Lukas 1,46-55)
Ich stelle mir das bildlich vor: Jemand, der sich für besonders groß hält und alle anderen für klein, setzt sich … und plötzlich kippt der Stuhl um. Da ist erst einmal Erschrecken … aber dann vermutlich auch ein Auflachen.
Es ist Ausdruck von Freiheit, das komisch finden zu dürfen. Ich bin dankbar dafür, dass ich in einer Demokratie und in einem freien Land lebe, in dem es politische Satire gibt.
Das Lied der Maria heißt auch Magnificat, benannt nach dem ersten Wort der lateinischen Übersetzung. Magnificat heißt auf Deutsch: groß machen. Gott groß machen. Der Geist des Magnificat ist politisch und prophetisch. Ein Geist, der Throne wackeln lässt und Mächtige unruhig macht. Ich habe etwas von diesem Geist vor wenigen Wochen gespürt. Bei einem Gottesdienst am Tag nach der Amtseinführung von Donald Trump hält Mariann Edgar Budde, Bischöfin von Washington eine Predigt. Im Namen Gottes bittet sie Trump um Erbarmen für die Menschen, die jetzt Angst haben. Für schwule, lesbische und Transgender-Kinder in Familien aller politischen Richtungen. Sie tritt für Migranten ein und erinnert: Unser Gott lehrt uns, dass wir barmherzig sein sollen gegenüber den Fremden. Die Bischöfin von Washington schließt mit einem Segen: "Möge Gott uns Kraft und Mut geben, die Würde eines jeden Menschen zu ehren."
Diese Worte haben tatsächlich am Thron eines Mächtigen gerüttelt und denen Würde zugesprochen, die Angst haben, die sich erniedrigt fühlen. Der US-Präsident ist zwar nicht vom Stuhl gefallen. Aber er hat am Tag danach gegen die Bischöfin gewettert und sogar eine Entschuldigung verlangt. Das ist schon fast Realsatire, wenn sich eine Religionsvertreterin entschuldigen soll dafür, dass sie an Barmherzigkeit erinnert.
Mächtige stolpern und stürzen, Niedrige werden erhöht. Dieses Bild bringt mich zum Nachdenken, besonders jetzt in den Tagen des Wahlkampfs.
Wie sensibel bin ich für die, die benachteiligt sind, die Angst haben, die eine schwere Geschichte haben, denen es schlechter geht als mir? Es gibt Bereiche in meinem Leben, in denen ich "Macht", Verantwortung, Privilegien habe. Und da erinnert mich das Magnificat an meine Solidarität mit den Schwächeren.
Am 23. Februar gehe ich wählen. Für mich als Christen ist das eine geistliche Pflicht. Das Magnificat der Maria erinnert mich dabei: Es reicht nicht, nur an sich, an das eigene Wohlergehen, an das eigene Land oder die eigenen Ängste zu denken. Wer den Gott der Bibel groß macht, der oder die ehrt auch die Würde eines jeden Menschen, egal woher er kommt, wen er liebt, wie gesund oder wie alt er ist oder welcher Religion er angehört.
Es gilt das gesprochene Wort
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