Morgenandacht
Gemeinfrei via unsplash/ Laurenz Kleinheider
Das Enneagramm – Die neun Gesichter der Seele
Morgenandacht von Pfarrer Dr. Florian Ihsen
16.03.2024 05:35

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Er war einer der großen Geistlichen der Evangelischen Kirche. Seine Bücher findet man heute noch in den Buchhandlungen. Und für mich war er ein wichtiger Lehrer und Vorgänger: Andreas Ebert. Im März vor zwei Jahren ist er kurz nach seinem 70. Geburtstag gestorben.

Bekannt wurde er durch seinen Bestseller schlechthin: „Das Enneagramm. Die neun Gesichter der Seele“. Dieses Buch hat er zusammen mit dem amerikanischen Franziskaner Richard Rohr herausgebracht. Das Enneagramm ist eine spirituelle Persönlichkeitslehre. Es gibt neun verschiedene Typen. Und jeder Mensch hat die Aufgabe und die Chance herauszufinden: Welcher Typ könnte ich sein? Eher eine Acht, eine Vier, eine Neun oder gar eine Sieben? Und die Menschen, mit denen ich lebe und arbeite: Zu welchem Typ könnten sie gehören? Welche sind meine Gaben und Talente? Aber auch: Wo behindern mich meine Gaben? Wo bin ich fixiert und steh mir selbst im Weg? Und wohin könnte ich wachsen?

In meinem Enneagrammtyp kann ich meine Persönlichkeit besser verstehen. Die Struktur, die mich auszeichnet, die mich besonders macht, die mich aber auch einengt und blockiert. Es geht nicht um Schubladisierung oder Festlegung. Wer seinen Enneagrammtyp entdeckt, kann sich entwickeln und wachsen: Das hat Gott in mein Leben hineingelegt, und ich kann es noch weiter entfalten.

Andreas Ebert hat deutlich gemacht: Das Enneagramm hat christliche Wurzeln, zum Beispiel bei den Wüstenvätern der ersten Jahrhunderte. Und es lässt sich gut mit christlichen Inhalten verbinden. Andreas Ebert und Richard Rohr haben jedem Enneagrammtypen bestimmte Personen aus der Bibel und der Geschichte zugeordnet. Mir hilft das zu sehen, wie andere mit denselben Lebensthemen umgegangen sind, die auch mich in meinem Leben und mit meinem Enneagrammtyp beschäftigen.

Ein weiteres großes Anliegen von Andreas Ebert waren geistliche Übungswege. Glaube ist keine Sache nur des Kopfs. Glaube ist eine Sache des ganzen Menschen, besonders auch des Körpers. Ich kann mit Gott nicht anders umgehen als mit meinem Körper. Und diesen Umgang muss ich üben. Jeden Tag.

Eine Zeitlang hat Andreas Ebert bei Franz Jalics, einem bekannten Jesuiten, in dessen Hausgemeinschaft mitgelebt. Dort lernte er das Herzensgebet kennen. Das ist eine ganz alte Gebetstradition aus der Ostkirche: Den Körper und besonders den eigenen Atem wahrnehmen, still werden und den Atem nach und nach mit einem Gebetswort verbinden: „Herr Jesus, Sohn des lebendigen Gottes, erbarme dich unser!“ Es können auch andere Worte sein: Ein einfaches Ja, das sich mit dem Atem verbindet. Oder der Name Jesus Christus. Oder auch der eigene Name. Geistliche Übung ist ein Weg, der kein festes Ziel hat. Es geht darum, dass ich in der Gegenwart Gottes ankomme und verweile.

Meditieren oder das Herzensgebet – das hat man im westlichen Christentum, insbesondere in der evangelischen Kirche lange argwöhnisch beäugt: Ist das überhaupt richtig evangelisch? Ist es nicht eher esoterisch? Vielleicht ist das was für religiöse Spezialisten, für Ordensleute im Kloster, aber nichts für normale Leute, geschweige denn für Protestant:innen.

Andreas Ebert hat den ganzen Staub von Vorurteilen von der geistlichen Übung weggewischt. Und so hat er viel geistliche Substanz in der evangelischen Kirche neu belebt. Ich sehe in den Kirchen der Gegenwart eine kleine, feine spirituelle Bewegung. Man entdeckt sie neu, die geistlichen Übungen: Meditation, Herzensgebet, Stille, christliches Yoga, Achtsamkeit, Kontemplation. Und auch das Enneagramm. Man will sich selbst, das Leben, Gott persönlich erfahren.

„Gedenkt eurer Lehrer“, lese ich im Neuen Testament. Ich denke gern an Andreas Ebert und andere Lehrerinnen und Begleiter meines Glaubens. Sie helfen mir, mich selbst und Gott zu erfahren – mitten in meinem Leben, so wie es ist.

Es gilt das gesprochene Wort.