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Sendung zum Nachlesen
Da ist ein Richter, stadtbekannt, keine Furcht vor Menschen, nicht vor dem Gesetz und vor Gott oder der Religion sowieso nicht. Bis eines Tages eine Witwe auftaucht. Sie fragt kritisch nach, protestiert, nervt, bedrängt den Richter sogar. Bitte! Du musst mir helfen. Immer wieder dieselbe Klage. Sie will ihr Recht. Sie lässt sich nicht abwimmeln. Bis der Richter schließlich sagt: Ok, ich gebe nach. Die Witwe soll kriegen, was sie will, nicht, dass sie weitermacht und mich am Ende noch schlägt.
Jesus erzählt diese Geschichte von der energischen Witwe. (Lukas 18, 1-8)
Wer verwitwet ist, hat seinen Lebensmenschen verloren und ist ganz von diesem Verlust bestimmt. Witwer und Witwen sind vom Leben verwundet. Oft einsam. Und Trauer ist ein ständiger Begleiter. Wer verwitwet ist, hat Entscheidendes verloren, fühlt sich manchmal wie ein fünftes Rad am Wagen, in der Familie, im Freundeskreis, in der Nachbarschaft. Ich habe Witwen und Witwer vor Augen, die ich als Seelsorger begleite.
Mir erzählt diese Geschichte von Jesus auch etwas über Gott: Gott ist wie diese Witwe. Gott hat Entscheidendes verloren: All die großen Eigenschaften, die Gott früher zugeschrieben wurden, die noch in alten Kirchenliedern anklingen: Allmacht, Liebe, Herrlichkeit. Kann man davon noch sprechen, wenn Gott die Züge nach Auschwitz nicht gestoppt hat – vielleicht gar nicht stoppen konnte? Allmacht, Liebe, Herrlichkeit Gottes – kann man davon noch sprechen, wenn Kriege in Europa, in Syrien und x Ländern Menschen vernichten, wie Menschen auf der Flucht nach Gott schreien und dann ertrinken Allmacht, Herrlichkeit, Liebe – Kann man noch so von Gott sprechen, wenn wir sehen, wie sich unser Klima verändert, weil wir Menschen uns nicht ändern – und weil Gott offenbar nicht eingreift … nicht eingreifen kann?
Wenn ich die großen Katastrophen unserer Welt und die Krisen unseres Lebens mit Gott zusammenbringen soll, merke ich: Gott wirkt ganz schön ohnmächtig. Wie eine Verwitwete, verwundet, hilflos, fast mittellos. Wir haben von Gott einiges begraben müssen, was früher wie selbstverständlich zu ihm gehörte: Herrlichkeit, Liebe, Allmacht. Heute ist Gott verwitwet.
Und ich frage mich selbst: Bist du dann vielleicht… wie dieser Richter, von dem Jesus erzählt? Gibt es da eine Seite in dir, die diesem Richter gleicht: sich nicht um Menschen kümmern, die Gott nicht fürchtet. Bist du selbst auch so?
Diese Witwe jedenfalls hat keine Scheu vor dir. Sie ist voller Energie. Sie pocht auf ihr Recht. Sie nervt. Sie hat Macht. Sie klopft und pocht unentwegt an die Tür deines Herzens.
Manchmal höre ich das und mache mich zuständig für das, was sie will….
Es gilt das gesprochene Wort.