Die Sendung zum Nachlesen:
Quarantäne – das Wort kommt aus dem Französischen und bedeutet einen Zeitraum von 40 Tagen. Als im Mittelalter die Pest in Europa wütete, wurden die Handelsreisenden 40 Tage lang in Lazaretten isoliert, bevor sie Zugang zur Stadt bekamen. Und die Schiffe mussten 40 Tage lang warten, bevor sie in den Hafen einfahren durften. Da haben wir Glück, dass die Medizin mit der Erforschung von Inkubationszeiten inzwischen weiter ist. Wir finden ja 14 Tage Quarantäne schon ziemlich lang. Aber wie sind sie damals bloß auf die 40 gekommen?
Vermutlich, weil die Zahl in der Bibel so eine prominente Rolle spielt und da immer wieder einen Zeitraum der Abgeschiedenheit bedeutet. 40 Tage lang soll nach dem Gesetz des Mose eine Frau nach der Geburt zu Hause bleiben. Als eine Zeit der rituellen Reinigung wurde das überhöht, was wohl vor allem eine vernünftige Maßnahme war, der Frau die nötige Ruhe zu gönnen. Doch die 40 kommt auch sonst in wichtigen Erzählungen der Bibel immer wieder vor: 40 Tage musste Noah mit allen Tieren in der Arche ausharren, bis eine Taube das Ende der Sintflut ankündigte und neues Leben begann. 40 Jahre sogar musste das Volk Israel in der Wüste herumirren, bis es endlich im versprochenen Land siedeln konnte. Eine lange Zeit der Erprobung wurde ihm auferlegt. 40 Tage wiederum, so wird erzählt, weilte Mose auf dem Berg Sinai im Gespräch mit Gott. Dann kam er mit den Gesetzestafeln zurück, auf denen die zehn Gebote eingemeißelt waren, die Gottes Bund mit seinem Volk begründeten. Und ebenfalls 40 Tage lang fastete Jesus allein in der Wüste. Erst danach begann er, öffentlich zu predigen und zu heilen.
Vor jeden großen neuen Anfang ist in der Bibel diese lange 40 gesetzt – als eine Zeit des Wartens und der Ungewissheit, aber auch der Vorbereitung und Besinnung. Und in anderer Hinsicht ist die 40 dann auch wieder so etwas wie der runde Zeitraum schlechthin, wenn etwa erzählt wird, dass die großen biblischen Könige jeweils genau 40 Jahre lang regierten.
Warum nun gerade 40? Kundige Leute sagen, dass die Vier auch schon in vorbiblischer Zeit eine besondere Bedeutung hatte, weil sie für die vier Himmelsrichtungen steht und darum Ganzheit symbolisiert. Aber dass dieser besondere Zeitraum von 40 Tagen auch mit dem Sternenhimmel zu tun haben kann, weil die Plejaden in manchen Teilen der Erde eben zwei Mal im Jahr genau 40 Tage lang nicht zu sehen sind. Das hatte für das Kalendergefühl in der Frühzeit schon eine große Bedeutung. Mir selbst ist zur 40 die Schwangerschaft eingefallen, für die ja generell 40 Wochen angenommen werden. In jedem Mutterpass steht‘s. Ob sie das nicht auch früher schon gewusst haben? Schwangerschaft - elementare Zeit des Wartens, der Vorbereitung, bis das Wunder geschieht und ein neues Menschenkind zur Welt kommt.
Und nun verdanken wir der 40 auch den Feiertag am Donnerstag: Christi Himmelfahrt.
Dem Evangelisten Lukas war es wichtig, davon zu erzählen. Nicht weil er glaubte, Jesus sei nach Ostern noch 40 Tage lang in Fleisch und Blut über die Erde gewandelt, sondern weil ihm wohl klar war, dass die Männer und Frauen, für die er gegenwärtig war, eine Weile brauchten, bis sie verstanden, was das alles bedeutete: der Schock der Kreuzigung und die Gewissheit danach, dass er doch als der Lebendige mit ihnen war. Eine Zeit der Verwirrung, des ungewissen Wartens gab es eben auch für sie, bis sie verstanden: Jetzt sind wir dran, Verantwortung zu übernehmen und weiter zu machen in seinem Sinn. Und da konnten sie ihren Meister dann wohl auch loslassen, der eben nun nicht mehr nur für sie, sondern auch für Viele andere da sein sollte.
Aber davor: eine Zeit des Wartens, der Verwirrung, des Rückzugs. Immer wieder erzählt die Bibel davon. Und mich tröstet der Gedanke jetzt in der langen Krise, wo die Zeit zu stocken scheint: Es kann ja auch jetzt eine Zeit sein, in der etwas neu werden will – für mich, für uns alle.
Es gilt das gesprochene Wort.