Wort zum Tage
Gemeinfrei via Unsplash/ Mohamed Nohassi
Nicht Mann, noch Frau
von Vikarin Hannah Clemens
23.09.2023 06:20
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In einer weniger von Männern dominierten Geschichte und Gesellschaft wäre Thekla wohl so bekannt wie der Apostel Paulus. Thekla von Ikonium hat heute Namenstag. Aber kaum jemandem sagt der Name etwas. Als ich Theklas Geschichte hörte, war ich erstaunt, wie sehr ihre damaligen Kämpfe denen ähneln, die Frauen noch heute austragen müssen.

Aufgewachsen in Ikonium, einer Stadt in der heutigen Türkei, hörte die junge Thekla eine Predigt des Paulus. Sie war ergriffen, bekehrte sich zum Christentum und verweigerte die Heirat mit ihrem Verlobten. Thekla zog aus, um das Evangelium zu verkünden. Als Apostelin predigte und taufte sie, so die Überlieferung.

Das kam nicht bei allen Menschen gut an. Zurück auf deinen Platz! Eine Frau hat zu heiraten und Kinder zu kriegen, damals eine rechtliche Anforderung. Für ihre Rebellion wurde Thekla wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Auf wundersame Weise überlebte sie jedes Mal, so die Legende. Noch wunderbarer: Sie ließ sich nicht beirren, blieb ihrem Glauben und ihrer Aufgabe treu. Thekla von Ikonium gilt als die bedeutendste Heilige der frühen Christenzeit.

Auch heute gibt es sie noch: Die klaren Erwartungen daran, wie das erfüllte Leben einer Frau auszusehen hat. Kann ich Kinder kriegen und trotzdem Karriere machen? Will ich Kinder? Und wenn ich keine kriegen kann? Brauche ich einen Partner oder bin ich auch als Single glücklich? Und natürlich betrifft das nicht nur Frauen. Viele Menschen, ringen mit den Erwartungen anderer, die sie wie wilde Tiere anfallen, ringen aber auch mit den eigenen Ansprüchen, die sie brennen lassen wie auf dem Scheiterhaufen.  

Wenn ich an Thekla denke, macht mir das Mut. Sie blieb standhaft, trotz der Anfeindungen. Und nach ihrem Vorbild bildete sich in den folgenden Jahrhunderten ein Netzwerk von Frauen, die sich gemeinsam ein anderes Leben ermöglichten. Erste Frauengemeinschaften boten Raum für die, die sich nicht in vorgesehene Rollen einfügen wollten.

Ich bin überzeugt, dass Kirche für alle so ein Raum sein sollte.  Paulus schreibt: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ (Galater 3,28) Hier darf ich sein wie ich bin, jenseits aller Unterschiede und gesellschaftlichen Erwartungen. An so einer Kirche arbeite ich, so wie schon Thekla es gemacht hat.

Es gilt das gesprochene Wort.