"Wir sehen uns nur alle Jubeljahre", sagt man und meint: äußerst selten. Der Ausdruck Jubeljahr stammt aus der Bibel und beschreibt eine Utopie, wie leicht das Leben sein könnte.
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"Wir sehen uns als Familie viel zu selten! Höchstens alle Jubeljahre einmal", klagt mein Cousin. Er liebt es, unsere weit verstreuten Verwandten jedes Jahr zu einem großen Familientreffen einzuladen. In seine Pläne steckt er viel Liebe hinein. Er sucht ein passendes Wochenende aus. Er wählt ein schönes Hotel in der Mitte Deutschlands, das man von Norden und Süden gleichermaßen gut erreichen kann. Er schreibt schöne Einladungen.
Aber oft hagelt es Absagen zum großen Ärger meines Vetters. Einigen passt der Termin nicht, anderen ist der Weg dann doch zu weit. Ab und zu aber gelingt ein solches Ereignis. Dann sehen sich Cousins und Cousinen wieder, erzählen, wie das vergangene Jahr war, und genießen die gemeinsame Zeit. Hinterher sagen alle, die dabei waren: "Danke dafür, es war so schön. Wir sollten uns viel öfter begegnen. Nicht nur alle Jubeljahre."
Die Redewendung vom Jubeljahr hat ihren Ursprung im Alten Testament. Ein Jubeljahr ist ein Ereignis, das ziemlich selten ist, aber dennoch möglich. Wenn es gelingt, ist es wunderbar befreiend und schön für alle Beteiligten.
In der Lutherbibel steht für das "Jubeljahr" ein Begriff, der die Sache besser erklärt: Es geht um ein gemeinsames Treffen des Volkes Israel, bei dem ein "Erlassjahr" verkündet wird. Zugegeben: Solch ein Erlassjahr kommt echt selten vor. Nur alle 49 Jahre. Dann aber soll das folgende Jahr eines sein, in dem den Menschen im Land sämtliche Schulden erlassen werden. Alle kleinen und großen Kreditnehmer in Israel dürfen jubeln und sich freuen: Ihre Schuldscheine werden zerrissen. Das große Aufatmen kann beginnen. Niemand wird mehr von seinen Schulden an die Wand gedrückt. In der Bibel heißt es:
"Und ihr sollt das fünfzigste Jahr heiligen und sollt eine Freilassung ausrufen im Lande für alle, die darin wohnen. Es soll ein Erlassjahr für euch sein. Da soll ein jeder wieder zu seinem Besitz und zu seiner Sippe kommen." (3. Mose 25,9-10*)
Soweit die Bibel. Die Alttestamentler und Bibelwissenschaftlerinnen streiten darüber, ob es so ein Jubel- oder Erlassjahr wirklich gegeben hat. Ich kann mir vorstellen, dass nicht jeder Gläubiger erfreut darüber war, dass seine Krediteinnahmen auf Null gesetzt werden. Da geht einem doch eine Menge Geld flöten. Vielleicht beschreibt die Bibel mit dem "Jubeljahr" nur einen schönen Traum. Eine Utopie, die so aber real nie durchgeführt wurde.
Ein allgemeiner Schuldenerlass – was wäre das für ein Segen für viele Menschen! Für Leute, die sich jedes Jahr verrenken müssen, ihre Kredite für das Haus zu bedienen oder mit dem Minus auf dem Konto zurechtkommen müssen. Ein Erlassjahr wäre ein großer Schritt für die Schuldnerländer in Afrika, Südamerika und für andere sogenannte Entwicklungsländer. Natürlich lassen sich nicht alle wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten durch einen Schuldenschnitt lösen. Nicht jede Ungleichheit kann solch ein Erlassjahr mindern. Aber es ereignet sich ja nicht jedes Jahr, sondern nur alle 49 Jahre. Für viele Menschen und Länder wäre das die Rettung vor dem Ruin. Das Leben könnte unbelastet von vorn beginnen.
Das Jubeljahr gibt eine schöne Idee davon, wie großzügig Gott ist. Kein Knauser, der die Schulden eines Menschen bis zum letzten Cent mit Gewalt eintreiben will. Gott ist gnädig, freigiebig und nachsichtig. Einer, der an seine Menschen denkt. Gott ist viel offener für verrückte Sachen, als wir ihn uns allgemein denken. Gott will, dass sein Volk frei leben kann. Frei nicht nur von Schuld, sondern auch von Schulden unbelastet. Es wäre echt schade, wenn wir mit so einem Gott nur alle Jubeljahre rechnen würden.
Es gilt das gesprochene Wort.
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