Mein Gelobtes Land
Das Schöne im Sommer genießen und dafür danken
29.08.2024 06:35

"Der Sommer ist mein Gelobtes Land", sagt unser Autor Frank Mühring. Das Leben fühlt sich dann so üppig an. Gutes in Fülle birgt eine Gefahr: Man gewöhnt sich schnell daran und vergisst, dass nichts selbstverständlich ist.

 
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Der Sommer ist mein Gelobtes Land. Die Sommerzeit riecht anders als alle anderen Jahreszeiten. Sie duftet für mich nach frischen Erdbeeren, dicken Knubberkirschen. reifen Pflaumen, nach geerntetem Heu, nach Sonnenmilch auf der Haut. Der Sommer hört sich auch anders an. Ich habe das Geräusch von plantschenden Kindern am See im Ohr. Ab und zu das feine Rauschen eines leichten Sommerregens. In der heißen Sonne ist das leise Surren der Bienen zu hören. Der Sommer ist mein Gelobtes Land. Wenn er da ist, freue ich mich und bin dankbar. Wenn er zu Ende geht, möchte ich ihn am liebsten festhalten.

Das "Gelobte Land" ist eine Redewendung aus dem Alten Testament. "Gelobt" steht für "verheißen", "versprochen". Als in der Bibel das Volk Israel im Gelobten Land ankommt, sind alle zunächst voller Staunen und Freude über die Fülle, die sich vor ihnen auftut. Dankbar sammelt man, was das Land hergibt: süße Trauben und saftige Feigen, die nach Sonne und Erde schmecken. Die Granatäpfel mit ihren leuchtendroten Kernen, die so herrlich erfrischend sind. Die leicht bitteren Oliven mit ihrem bräunlich-gelben Öl und dem herben Geschmack. Wie sehr hatten die Israeliten so etwas Leckeres entbehrt auf dem elend langen Marsch durch die Wüste!

Kaum sind sie im Gelobten Land angekommen, haben sie die frühere Zeit des Mangels vergessen. Das Phänomen gibt es bis heute: Man gewöhnt sich schnell daran, aus der Fülle zu schöpfen. Selbstverständlich nimmst du alles an, was das Gelobte Land dir bietet. Und fängst an zu meckern, wenn irgendetwas nicht so toll ist.

Mose, der Anführer Israels, erinnert darum die Seinen daran: "Wenn du gegessen hast und satt bist, sollst du den HERRN, deinen Gott, loben für das gute Land, das er dir gegeben hat. So hüte dich nun davor, den HERRN, deinen Gott zu vergessen …, der dich aus Ägyptenland geführt hat, aus der Knechtschaft, und dich geleitet hat durch die große und furchtbare Wüste, wo feurige Schlangen und Skorpione (waren) und lauter Dürre und kein Wasser." (5. Mose 8,10-14 *)

Wie schnell das wunderbare Leben im Gelobten Land wieder zum grauen Alltag werden kann! Bertolt Brecht hat einmal geschrieben: "Die Mühen der Berge haben wir hinter uns, vor uns liegen die Mühen der Ebenen." (Brecht, Gedicht: Wahrnehmung 1949) Das kennt jeder Mensch auf seiner Reise durch das Leben: Nachdem man ein Ziel erreicht hat, denkt man: Nun ist alles fein. – Pustekuchen!

Kaum ist das biblische Volk Israel angekommen, kommt es dicke. Die Lasten des täglichen Lebens quälen. Um eine gute Ernte zu haben, muss kräftig gearbeitet und bewässert werden. Die erste Generation hat ein furchtbar hartes Leben. So hochgelobt ist das Land auch wieder nicht. Manche würden am liebsten alles hinschmeißen. Zurück in die gute alte Zeit, zu den Fleischtöpfen Ägyptens. Wo doch angeblich alles so herrlich war.

Ich liebe das Alte Testament, weil es ein so realistisches Buch ist. Weil es die Schwächen von uns Menschen in den Blick nimmt. Weil es nicht nur von starken, unüberwindlichen Helden erzählt, die von Sieg zu Sieg eilen. Es kennt auch unsere negativen Seiten. Es kennt unsere Vergesslichkeit. Es kennt die lähmende Gewöhnung an das Gute, die man auch Undankbarkeit nennen kann. Darum bewahrt es in guten Zeiten die Geschichten aus den mageren Jahren auf, als Israel noch durch die Wüste wanderte.

Gerade wenn es uns im Sommer gut geht, dürfen wir nicht vergessen, wie hart das Leben mal war und auch wieder sein könnte. Darum: Vergiss nicht zu danken für alle schönen Dinge, die Gott dir schenkt. Genieße den Sommer, solange er da ist!

Es gilt das gesprochene Wort.

 

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