Theoretisch weiß man, dass einen eine Krankheit oder Unfall treffen kann. Kann man sich darauf vorbereiten?
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Eine Freundin ruft an: "Ich habe Krebs." Sie war routinemäßig beim Frauenarzt. Erst war es nur ein Verdacht. Dann musste sie warten auf die Gewebeprobe. Das ist eigentlich das Schlimmste, sagt sie zu mir, dieses Abwarten. Dann kommt der Befund: Es ist Krebs. Sie muss operiert werden. Sie zählt die Tage bis zum OP-Termin. Sie will es hinter sich bringen. Zwei Tage nach der Operation schreibt sie mir: "Alles gut verlaufen! Bin schon wieder daheim." Es folgen die Nachuntersuchungen und endlich die Entwarnung. "Ich gelte als geheilt!", schreibt sie mit einem Jubel-Smiley. Keine Bestrahlung nötig.
Unendliche Erleichterung und Freude! Trotzdem sitzt der Schrecken tief. Es kam wie aus heiterem Himmel. Keine Anzeichen vorher. Beide leben wir unser Leben, bringen die Kinder zur Schule, kochen was Leckeres für Freunde und fahren nach Frankreich in den Urlaub. Aber auf einmal steht die Möglichkeit in der Tür, sterbenskrank zu sein.
"Mitten im Leben geschieht’s, dass der Tod kommt", sagt der Schriftsteller Tomas Tranströmer in einem Gedicht. Und dann nimmt der Tod "Maß am Menschen. Diesen Besuch vergisst man", so Tranströmer, "und das Leben geht weiter. Doch im Stillen wird der Anzug genäht."
Mitten im Leben. Vielen Menschen widerfährt das, sei es durch eine Diagnose oder einen Unfall. Am eigenen Leib oder bei einem nahen Menschen. Theoretisch weiß ich, dass es kommen kann und einmal kommt. Aber wenn’s tatsächlich geschieht, erschreckt er mich, der Einbruch ins eigene Leben. Ich habe nahe Angehörige sterben sehen. Ich habe Freunde und Freundinnen, die mit schweren Krankheiten zu kämpfen haben. Es ist so: "Im Stillen wird der Anzug genäht."
Das eine ist, mitfühlen und sie begleiten, so gut ich kann und sie es wollen. Das andere ist die Frage an mich selbst: Wie würde ich damit umgehen, wenn mir das passiert? Und gleichzeitig wehre ich mich gegen solche Gedanken: Halt! Ich will ja noch gar nicht sterben. Ich will noch gar keinen Maßanzug. Das Leben geht doch weiter, vor allen Dingen für meine Freundin, die die Nachricht bekommen hat: Alles gut überstanden! Sie ist noch müde, hat Nachholbedarf an Ruhe und Nachdenken. Aber abwarten tut sie nicht. Das Leben ist jetzt.
Das möchte ich auch nicht, rumsitzen und abwarten. Ich mag mein Leben. Und etwas Lebensbejahendes zieht sich ja auch aus dem Gedicht von Tomas Tranströmer. Der Tod als Maßschneider. Wie ich lebe und wie ich sterbe, das ist nicht 0815 von der Stange, sondern genau auf mich konfektioniert. Das geschieht mit dem Blick des Fachmanns. Der sieht die Rundungen, wo ich weich bin, sieht die Ecken und Kanten, das Unausgegorene, die Verspannungen und den Bewegungsdrang, die Sehnsucht nach Freiheit. Für mich maßgeschneidert. Ich stelle mir was ganz Schickes vor – also was ich schick finde. Grüner Samt, enge Hosen.
Mein Anzug wird im Stillen genäht. Das weiß ich. das weiß ich jetzt vielleicht noch besser durch die Erfahrungen meiner Freundin. Vielleicht vergisst sie den Besuch wieder, vielleicht vergesse ich ihn wieder. Jede wird ihr Leben in aller Lebensfreude weiterleben. Keine wird daheimsitzen und ängstlich abwarten, was vielleicht Schlimmes auf sie zukommt. Leben ist zum Leben da!
Mich als gläubigen Menschen tröstet außerdem ein Satz aus der Bibel: "Leben wir, so leben wir dem Herrn. Sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: Wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn." (Römer 14,8) Ich vertraue darauf, dass ich in allen Lebensbereichen zu Gott gehöre. Dass Gott mich noch viel liebevoller ansieht, als der Tod es je könnte, dass Gott meine Eigenheiten kennt und schätzt, dass Gott an meiner Seite ist, wer auch immer mich besucht.
Es gilt das gesprochene Wort.
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