Ein Vater fragt beim Joggen seinen Sohn, wie er sich die Zukunft in 100 Jahren vorstellt. Unsere Autorin schnappt die Frage auf. Sie kommt ins Nachdenken über Zukunftsängste und -visionen.
Sendung nachlesen:
Die beiden joggen an der Haltestelle vorbei, wo ich auf den Bus warte. Vielleicht Vater und Sohn. Der Sohn so 15 oder 16 Jahre alt, vermute ich. Die beiden sind so fit, dass sie sich beim Joggen unterhalten können. Der Vater: "Stell dir vor, wenn du wiedergeboren würdest… So in 100 Jahren oder so. Irgendwo auf der Welt. Wo wäre das und was würdest du machen?" Leider kann ich die Antwort nicht mehr verstehen. Ich wüsste zu gerne, was der Sohn antwortet.
In 100 Jahren – wo würdest du da geboren werden wollen? Und wer würdest du sein, was tun?
Wenn ich selbst anfange, darüber nachzudenken, merke ich: Ich bin blockiert von Ängsten. Wo wird die Welt dann überhaupt noch bewohnbar sein? Wie werden sich die klimatischen Veränderungen bis dahin auswirken, wie sieht es mit dem Frieden aus? Unbeschwert gelingt mir dieser Blick gerade nicht.
Vielleicht will der Vater ja auch das: Mit dem Sohn darüber nachdenken, wie das, was ich heute tue und lasse, das Morgen bestimmt. Und dass ich, wenn ich in 100 Jahren wiedergeboren werde, eine Welt vorfinden möchte, in der ich frei atmen, gesund und ausreichend essen und in Frieden leben kann. Nicht auf einem Planeten B, nicht auf dem Mars, auf dem die Menschheit nun ihr Dasein fristet. Sondern auf unserem blauen Planeten, der Erde.
Was antwortet der Sohn wohl? Vielleicht denkt er an ein Land, in das er gern reisen möchte. An einen Beruf, den er toll findet. Vielleicht erträumt er sich eine Partnerschaft, Familie, Kinder und viele Freunde. Vielleicht lebt er in der Stadt seiner Träume, vielleicht auf dem Land. Auf einer Farm, in einem Nationalpark mit wilden Tieren, in einem Holzhaus unter Polarlichtern, in einem Iglu aus Eis oder in einer Großstadt in einem schicken Loft. Oder er denkt an neue Lebensformen im Weltall.
Vielleicht ist das auch alles viel zu klein geträumt. In 100 Jahren, da kann man noch viel weiter denken – an Dinge, die jetzt kaum möglich erscheinen. Der Vater lädt den Sohn ein, ganz weit zu denken. Die Vorstellungskraft von dem, was hier und jetzt möglich ist, auf das künftig vielleicht einmal Nötige und Mögliche zu erweitern.
Wie soll die ideale Welt aussehen? Diese Visionen treiben die Menschen aller Zeiten um. Im Christentum sind das die Visionen vom Reich Gottes oder dem Himmelreich, die diese großen Träume beschreiben.
Meine Lieblingsvisionen sind: von einer Welt, in der die Völker friedlich zusammenleben. Die Vision von Leuten aus aller Welt mit verschiedenen sozialen und kulturellen Hintergründen, die an einem Tisch sitzen, essen, trinken, reden und feiern, Gott Danke sagen für alles, was sie haben.
Vielleicht hat der Vater beim Joggen zum Blick in die Zukunft ermutigt, damit der Sohn versteht, was er heute tun muss, damit die Welt in 100 Jahren so ist, wie er sie dann vorfinden will. Vielleicht hat der Vater sich selbst den Gedankenanstoß gegeben, was er heute fürs Morgen tun muss.
So ein kurzer Gesprächsfetzen hat an diesem Morgen viel bei mir in Gang gesetzt. Stell dir vor, wenn du wiedergeboren würdest… Im christlichen Glauben gibt es die Vorstellung, dass ich jeden Tag neu geboren werden kann. Innerlich. Geistlich wiedergeboren, heißt das in der Glaubenssprache. Durch meinen Glauben an Jesus Christus, der den Blick weit macht und ermutigt, falsche Sicherheiten zu verlassen, mein Verhalten zu ändern, wo es notwendig ist, und auf Gott zu vertrauen. Ein besseres Leben zu führen. Mich täglich neu auszurichten auf den Weg des Glaubens und auf die Lebenswerte, die damit verbunden sind.
Vater und Sohn sind bestimmt längst von ihrer Joggingrunde nach Hause gekommen. Und ich bin mittlerweile in den Bus eingestiegen und am Bahnhof angekommen. Und sage Gott Danke für die Wortfetzen, die er mir zugetragen hat. "Wenn du in 100 Jahren wiedergeboren würdest, wo wärst du und was würdest du machen?"
Es gilt das gesprochene Wort.
Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage!