Hoffnungen auf Zettel schreiben, in einer Dose aufbewahren und nach vier Jahren schauen, was daraus geworden ist. Das war die Methode der Schriftstellerinnen Emily und Anne Brontë. Unsere Autorin inspiriert das.
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Hoffnungen auf kleine Zettel schreiben, zusammenfalten und in eine Blechdose stecken. Emily und Anne, zwei Schwestern aus England, führen auf diese Weise eine Art Tagebuch. Sie notieren, was in der Welt geschieht und in ihrem eigenen Leben, und malen sich aus, wie es hoffentlich einmal werden wird. So schreiben sie an gegen Angst und Trauer, Krankheit und Tod. Alle vier Jahre holen sie die Zettel aus der Dose und lesen, was sie damals beschäftigt hat. Und schauen, was daraus geworden ist.
Etwa 200 Jahre ist das her. Emily und Anne lebten in einem kleinen Ort in England zusammen mit ihrem Bruder, einer weiteren Schwester und dem Vater. Die Geschwister Brontë. Charlotte, Emily und Anne Brontë werden später bedeutende Schriftstellerinnen.
Ich habe im August ihr Wohnhaus besucht, ein entzückendes Museum in Yorkshire. In einem Raum bleibe ich vor mehreren großen, weißen Keramikgefäßen stehen. In blauer Schrift steht jeweils der Name eines Monats darauf. Erst bin ich etwas ratlos: Sind das Suppenterrinen, aber warum so viele?
Dann sehe ich ein Gefäß in Scherben liegen und dazwischen lauter beschriebene Zettel. Contemplating Hope – Hoffnung bedenken. Ein Kunst-Projekt. Die Künstlerin Layla Khoo hat die Methode von Emily und Anne Brontë ausprobiert. Zwölf Monate lang von Mai 2021 bis April 2022 hat sie die Besucherinnen und Besucher des Museums gebeten, kleine Zettel zu beschriften und diese dann in das Gefäß zu stecken. Viele machen mit. Sie schreiben auf, was sie beschäftigt. Pandemie, Brexit, Klimakatastrophe, Krieg. Zukunftsträume. Was hätte ich aufgeschrieben vor vier Jahren? Und was habe ich seitdem alles erlebt und überstanden…
Für mich sind diese Zettel wie kleine Gebete. Und ich hoffe, Gott wird das Beten erhören. Durch alle Jahre und Jahrhunderte.
Jetzt, vier Jahre nach dem Beginn des Kunst-Projekts wird Monat für Monat ein Gefäß aufgebrochen. Zwischen den Scherben: Hoffnungs-Worte in vielen verschiedenen Handschriften. Wie kleine Schwestern der Brontë-Zettel. Eine lange gemeinsame Geschichte des Hoffens.
Contemplating Hope – Hoffnung bedenken. Der 3. Oktober heute ist ein guter Tag dafür. Bis zum Fall der Mauer, bis zur deutschen Wiedervereinigung haben viele Menschen gebetet, gehofft, gehandelt. Was ist aus den Hoffnungen geworden, fünfunddreißig Jahre später?
Manchmal tut es gut, zurückzuschauen und zu erkennen: Es hat sich etwas bewegt. Und mit dieser Hoffnung auf das schauen, was heute so hoffnungslos zu sein scheint.
Nun aber bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung. Und manchmal ist die Hoffnung die größte unter ihnen.
Es gilt das gesprochene Wort.
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