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Einander vergeben ist mühsam und braucht Zeit. Die Stadt Breslau, das heutige Wrocław ist ein Beispiel dafür.
Versöhnung
Wie überwindet man ewige Schuldzuweisungen?
27.10.2025 06:20

Einander vergeben ist mühsam und braucht Zeit. Die Stadt Breslau, das heutige Wrocław ist ein Beispiel dafür.

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In 14 Tagen veröffentlicht die Evangelische Kirche in Deutschland eine Denkschrift zum Frieden. Sie will Orientierungspunkte geben für ein Leben aus dem Geist der Versöhnung.

Wie geht Versöhnung?, frage ich mich und mache mich auf die Suche.

In meinem Sommerurlaub besuche ich Breslau, das heutige Wrocław. Die ehemals deutsche Stadt wurde vor 80 Jahren weitgehend zerstört. Über 30.000 Menschen sind damals in den Häuserkämpfen ums Leben gekommen. Die damaligen Bewohner mussten die Stadt verlassen. Polnische Bürger, die wiederum aus dem Osten des Landes vertrieben worden waren, mussten in Breslau eine neue Heimat finden.

Breslau oder Wrocław wurde zu einem Symbol für die Schrecken des Zweiten Weltkriegs, für Zerstörung, Tod, Vernichtung und Vertreibung. Versöhnung stiften zwischen Deutschen und Polen? Noch Mitte der 1960er Jahre war das fast unmöglich. Bei vielen in der polnischen Bevölkerung herrschte Angst vor einer erneuten Bedrohung und Besetzung. Auf deutscher Seite spürte man den Schmerz über den Verlust der Heimat. Viele klagten die gewaltsame Vertreibung an.

Ein katholischer Bischof in Breslau versuchte, diesen Kreislauf von gegenseitigen Schuldzuschreibungen zu durchbrechen. Im November 1965 überzeugte Bolesław Kominek seine polnischen Amtsbrüder, einen Brief an die Deutsche Bischofskonferenz zu senden. Der Ton war revolutionär. Statt von der Teilung war von der Einheit des deutschen Volkes die Rede. Statt von einer deutschen Bedrohung sprach er von der jahrhundertelangen guten Nachbarschaft zwischen beiden Völkern. Ein Satz blieb besonders in Erinnerung: "Wir vergeben und bitten um Vergebung."

Ein Angebot zur gegenseitigen Vergebung. Ein wichtiges Dokument der deutsch-polnischen Aussöhnung. Der Brief war einer der ersten Versuche, zwischen Deutschen und Polen Versöhnung zu stiften. Eine ähnlich kräftige Aussage hörte man damals von den deutschen Bischöfen nicht. Es sollte noch Jahre dauern, bis die polnische ausgestreckte Hand zur Versöhnung von den Deutschen angenommen wurde. Der Versöhnungsprozess dauert bis heute an.

"Wir vergeben und bitten um Vergebung." Worte der katholischen Bischöfe aus Polen.

Für mich ein Beispiel: Es braucht Mut, diese Worte zu sprechen. Und: Es ist mühsam, ein Leben aus dem Geist der Versöhnung zu gestalten. Aber es ist der einzige Weg, um dauerhaft in Frieden miteinander zu leben.

Es gilt das gesprochene Wort.

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