Gemeinfrei via Unsplash/ Catrin Johnson
Der Staat soll seine Bürger:innen vor Gewalt schützen. Was, wenn der Staat selbst sie bedroht? Dann ist jede und jeder gefragt. Unter den Nazis in Breslau hatte Katharina Staritz den Mut dazu.
Menschen vor Gewalt schützen
Jeder und jede Einzelne kann etwas für andere tun
28.10.2025 06:20

Der Staat soll seine Bürger:innen vor Gewalt schützen. Was, wenn der Staat selbst sie bedroht? Dann ist jede und jeder gefragt. Unter den Nazis in Breslau hatte Katharina Staritz den Mut dazu. 

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Für den Frieden ist es grundlegend, Menschen vor illegitimer Gewalt zu schützen. Das ist eine der zentralen Aussagen in dem neuen Grundlagentext zum Frieden der Evangelischen Kirche. Er wird in zwei Wochen veröffentlicht. Schutz vor illegitimer Gewalt, dafür braucht es Streitkräfte und Polizei. Sie schützen Menschen vor Gewalt - auch unter Gefahr ihres eigenen Lebens. Aber nicht nur sie. Jeder und jede ist gefragt, einen Beitrag für den Schutz von Menschen zu leisten.

Im Sommer war ich in Breslau, dem heutigen Wrocław. Dort habe ich von einer Frau gehört, die sich für den Schutz von Menschen eingesetzt hat. Sie hat dafür ihr Leben riskiert. 

Katharina Staritz wird 1903 in Breslau geboren. Mit 23 Jahren beginnt sie ein Studium der evangelischen Theologie. Ungewöhnlich damals: Zu dieser Zeit gab es auch in der evangelischen Kirche keine Frauen im Pfarramt. Doch Katharina Staritz ist hartnäckig: Als eine der ersten Frauen wird sie als Pfarrerin tätig. Sie wird 1938 in Breslau eingesegnet. Sie arbeitet als Krankenhausseelsorgerin. Dabei lernt sie Menschen jüdischer Herkunft kennen, die sich taufen lassen wollen.

Es ist die Zeit der Naziherrschaft. Juden werden verfolgt und ermordet, auch Christen jüdischer Herkunft. Es gilt, diese vor schrecklicher Gewalt zu schützen. Zusammen mit ihrem Berliner Kollegen Heinrich Grüber sorgt die junge Stadtvikarin aus Breslau dafür, dass Menschen jüdischer Herkunft ausreisen können. Pfarrer Heinrich Grüber wird verhaftet und kommt später ins Konzentrationslager. Katharina Staritz geht zusammen mit ihrer Schwester Charlotte in den Untergrund. Sie setzt weiter alles daran, Jüdinnen und Juden die Ausreise aus Deutschland zu ermöglichen.

Sie schreibt einen Aufruf an die evangelischen Pfarrer in Breslau. Ihre Forderung: Schließt Christinnen und Christen jüdischer Herkunft nicht vom Gottesdienst aus. Sie zu schützen ist Christenpflicht. Alles andere unchristliches Verhalten.

Staritz wird daraufhin von der Kirchenleitung aus dem Dienst entlassen. Sie soll weg aus Breslau. Später kommt sie ins KZ Ravensbrück bei Berlin.

Katharina Staritz überlebt die Naziherrschaft.

Sie geht nach Hessen und muss dafür kämpfen, als Pfarrerin tätig zu sein.

Die evangelische Kirche hat erst sehr spät den Einsatz dieser mutigen Frau für den Schutz von Menschen vor unrechtmäßiger Gewalt anerkannt. Gut, dass heute in Breslau in der Maria-Magdalena-Kirche mit einer Gedenktafel an sie erinnert wird. Menschen vor Gewalt zu schützen, ist Christenpflicht.

Es gilt das gesprochene Wort.

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