Sendung zum Nachlesen
Dieser Generationskonflikt ist eigenartig. Jugendliche und sogar Kinder demonstrieren regelmäßig, inzwischen sogar weltweit, um auf die Klimakatastrophe hinzuweisen. Ihr Protest hat dabei zwei Seiten. Zum einen fordern sie Taten, die dem Klima helfen. Nicht immer nur reden und reden, sondern handeln, lautet ihre Forderung. Und tatsächlich ist es ja erschreckend, dass die Debatte um die Zukunft des Klimas schon seit 27 Jahren in Konferenzen verhandelt wird. Im Juni 1992 fand die erste Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung statt, das war in Rio de Janeiro. 154 Staaten waren damals beteiligt und unterschrieben am Ende die Klimarahmenkonvention. Und was ist bisher geschehen? Da haben die Jugendlichen wohl Recht: Es wird mehr geredet als getan.
Und das betrifft dann die zweite Seite des Protestes. Die Jugendlichen werfen der älteren Generation vor, sich nicht wirklich um die Probleme der Zukunft zu kümmern. Sie meinen, die Zukunft nun selbst in die Hand nehmen zu müssen, weil die Politik nichts tut. Es geht also nicht nur um das Klima, im selben Maße drückt sich darin ein Vorwurf an die Älteren aus, es ist ein Generationskonflikt.
Was ist dran an diesem Vorwurf? Tun wir Älteren tatsächlich zu wenig für die Zukunft? Haben wir uns schon so sehr mit den Gegebenheiten abgefunden, dass wir wirkliche Änderungen kaum mehr erwarten? Auch bei mir selbst beobachte ich diese Ambivalenz. Die Probleme sehe ich schon, und doch traue ich unserer Gesellschaft Veränderungen oft gar nicht mehr zu.
In diesen Zwiespalt bringt Melissa Lane eine neue Perspektive. Melissa Lane ist Politologin und lehrt an der Princeton University in New Jersey. Eines der größten Probleme sieht sie in der weit verbreiteten Stagnation. So bezeichnet sie die Überzeugung, dass der Einzelne ja sowieso nichts ausrichten könne. Die Argumente sind bekannt: Wie soll ich alleine schon gegen die Mächte dieser Welt ankommen? Da bin ich doch ohnmächtig, die da oben machen doch sowieso was sie wollen. Gegen die Strukturen der Welt bin ich machtlos und gegen die Strategien der Reichen ebenfalls.
An diesem Punkt setzte die Wissenschaftlerin an. Sie fordert auf, zunächst das eigene Handeln zu respektieren. Ohne dieses kleine Maß an Respekt vor dem, was ich selbst tue, ist Nachhaltigkeit nicht zu erreichen. Und dann stellt sie eine These auf, die mich nachdenklich gemacht hat. Sie behauptet nämlich, dass Menschen in dem, was sie tun, gar nicht irgendwelchen Werten folgen, sondern es ist genau anders herum: Mit ihren Handlungen schaffen Menschen erst die Werte! Jeder und Jede für sich!
Ist doch egal, könnte man sagen, ob da nun zuerst die Werte oder die Handlungen sind, was zählt, sind einzig die Ergebnisse. Aber das stimmt nicht ganz. Denn bei vorgegebenen Werten komme ich schnell an meine Grenzen. Dann setzt die Frustration ein und ich sage mir, das klappt doch sowieso nicht. Anders herum ist es motivierend: Ich tue das, was ich vermag und stelle dann fest, daraus erwachsen neue Wertvorstellungen. Das, was gestern unmöglich schien, ist heute auf einmal möglich. Und zwar nicht, weil sich die Werte geändert haben, sondern meine Handlungsweise. Auf einmal schimpfe ich nicht mehr auf Politiker, sondern beginne im Supermarkt Diskussionen darüber, ob es sinnvoll ist, Butter aus Irland zu kaufen, wo es doch regionale Produkte gibt.
Die christliche Tradition folgt zunächst dem Werte-Kanon der Gebote. Da ist gesagt, was gut und richtig, und was falsch ist. Das Ergebnis ist dann, dass die meisten Menschen sich sagen: In der Theorie ist das ja gut, aber praktisch klappt es doch sowieso nicht. Vielleicht hat Jesus deshalb den Geboten aus dem Alten Testament sein Liebesgebot gegenübergestellt. Dieses Liebesgebot ist kein Wert an sich, der wie ein Gesetz zu befolgen wäre, es ist vielmehr ein Handlungs-Leitfaden. Handle danach, dann erwachsen deine Werte daraus. Werte als Ausdruck dessen, was dir wichtig ist.
Es gilt das gesprochene Wort.