Hubble Monitors Supernova In Nearby Galaxy M82 (NASA)
Das Ende nicht fern!
Weltuntergangsvorstellungen in Vergangenheit und Gegenwart
27.05.2018 08:35
Sendung nachlesen:

Atomkrieg. Schmelzen der Polkappen. Genmutation. Kometeneinschlag. Supernova. Invasion der Außerirdischen. Die Liste der Weltuntergangsszenarien ist lang. Bei den Toten Hosen ist es der atomare Super-GAU im Atomkraftwerk:

 

 

Wie schön ist doch das Leben

auf dieser strahlenden Welt.

Wir können einen heben

so oft es uns gefällt.

Der Super-GAU macht uns nicht blaß,

Herr Ober, noch ein Glas!

         Am 30. Mai ist der Weltuntergang!

         Wir leben nicht mehr lang! Wir leben nicht mehr lang!

         Am 30. Mai ist der Weltuntergang!

         Wir leben nicht, wir leben nicht mehr lang!

Und jeder weiß: nur noch ein Jahr

und das ist wunderbar!

Wir sind vielleicht nicht lang mehr hier

und darauf trinken wir!

                           

Mit Galgenhumor reagierte die Rockband „Die Toten Hosen“ auf den Super-Gau 1986 in Tschernobyl. Es ist erstaunlich, wie sich die Auseinandersetzung mit dem möglichen / dem wahrscheinlichen / dem unausweichlichen Weltende durch die Menschheitsgeschichte zieht. Weltuntergangsmythen gibt es in vielen Religionen und Kulturen. Die biblische Geschichte von der Sintflut ist dabei Teil des kollektiven Gedächtnisses in jüdisch-christlicher Tradition.

 

Als der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen, und er sprach: „Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis hin zum Vieh; denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe.“ Aber Noah fand Gnade vor dem Herrn. Da sprach Gott zu Noah: „Mache dir einen Kasten von Tannenholz und mache Kammern darin, und du sollst in die Arche gehen mit deinen Söhnen, mit deiner Frau und mit den Frauen deiner Söhne. Und du sollst in die Arche bringen von allen Tieren, von allem Fleisch, je ein Paar, Männchen und Weibchen, dass sie leben bleiben mit dir.“ (1. Mose 6 gekürzt)

 

Und Noah tat, was Gott ihm befohlen hatte. So überlebten er und seine Sippe die Katastrophe. Ob nun aus Dankbarkeit oder aus Furcht vor einem so hart strafenden Gott: Noah machte sich als erstes daran, einen Altar zu bauen und Brandopfer darzubringen. Die Welt schien auf Neustart gestellt. Menschheit 2.0 würde man das Update heute wohl nennen. Die Verhältnisse schienen nachhaltig und nun hoffentlich für immer geklärt. Da aber vollzieht Gott eine radikale Wendung. Er reibt sich nicht etwa zufrieden die Hände, sondern verkündet das Ende der schwarzen Pädagogik. Von Gott her wird es keine Umweltkatastrophen zum Zwecke der Erziehung des Menschengeschlechts mehr geben.

 

Und der Herr roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: „Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Und ich richte meinen Bund so mit euch auf, dass hinfort nicht mehr alles Fleisch ausgerottet werden soll durch die Wasser der Sintflut und hinfort keine Sintflut mehr kommen soll, die die Erde verderbe. Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig: Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde. (1. Mose 8+9 gekürzt)

 

Nun sollte man meinen, das war es dann mit der Furcht vor einem göttlichen Strafgericht. Doch dem war nicht so. Die Menschen vertrauten dem Regenbogen nicht. Noch aus der Frühzeit der Menschheit berichtet die Bibel vom Turmbau zu Babel. Sich von Gott unabhängig zu machen, blieb das Ziel menschlichen Strebens. Der Turm sollte bis in den Himmel reichen, gewissermaßen, um mit Gott auf Augenhöhe zu sein. Doch das Projekt scheiterte. Statt Gott gleich zu sein, zerstritten sich die Menschen, redeten aneinander vorbei, keiner verstand den anderen, die Bauruine verfiel.

 

 

 

Das Vertrauen zu Gott kam nicht zurück. Das Trauma der Sintflut ist offenbar wirkmächtiger als Gottes Versprechen: „... hinfort nicht mehr zu schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.“ Noch in alttestamentlicher Zeit entwickelte sich die Vorstellung eines endzeitlichen Sieges des Guten über das Böse. Das Neue Testament schließt mit der Offenbarung des Johannes. Dort steht dann nicht mehr das Strafgericht Gottes im Zentrum, sondern die Erlösung der Leidenden. Deshalb sind die dort entwickelten Visionen hoffnungsgeladen. Sie sollten die junge Christengemeinde ermutigen: Wappnet euch gegenüber dem Bösen! Entscheidet euch für das Gute! Und zwar aus ganz rationalen Motiven – denn am Ende werdet ihr zu den Siegern gehören.

 

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und die heilige Stadt Jerusalem sah ich, neu, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine Braut, die für einen Mann geschmückt ist. Und ich hörte eine Stimme vom Thron her erschallen: Siehe! Die Wohnung Gottes bei den Menschen! Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er, Gott, wird mit ihnen sein, und alle Tränen von ihrem Angesicht abwischen; und der Tod wird nicht mehr sein und kein Leid, kein Jammer und keine Mühsal, denn das erste ist vergangen. Und der Thronende sprach: Siehe, ich schaffe alles neu! (Offenbarung 21,1-5)

 

Geht es in der Apokalyptik wesentlich um die Verheißung eines guten Endes, so hat sie ihre literarische Stärke in der Schilderung des Schrecklichen. Und die Dramatik des Kampfes ist es denn auch, die den Leser zu fesseln vermag. Künstlerische Darstellungen des Himmlischen Jerusalem gibt es, aber sie vermögen kaum zu faszinieren. Die Darstellung des Bösen dagegen ist facettenreich und hat immer neue Bilder hervorgebracht, die den Atem stocken lassen. Die Gemälde eines Hieronymus Bosch lassen den Betrachter auch nach fünfhundert Jahren noch erschaudern. Und es ist eine ganze Filmindustrie entstanden, die sich diesem Sujet widmet. Die Struktur dieser Filme und ganze Szenen scheinen direkt der Offenbarung des Johannes zu entspringen.

 

Und ich sah: ... da geschah ein großes Erdbeben, und die Sonne wurde schwarz wie ein härener Sack, und der ganze Mond wurde wie Blut, und die Sterne des Himmels fielen auf die Erde, wie ein Feigenbaum seine Feigen abwirft, wenn er von starkem Wind bewegt wird. (Offenbarung 6,12-17)

 

Die Vorstellung, dass Naturkatastrophen den Endkampf zwischen Gut und Böse entscheiden, sie steht in auffälligem Gegensatz zum Zeichen des Regenbogens. Der will doch sagen: Gott verzichtet in aller Zukunft auf ein solches Strafgericht. Auch, wenn das Leben auf diesem Planeten bedroht ist; niemand darf darin ein göttliches Strafgericht sehen.

Was Menschen allerdings fürchten müssen, das ist die Quittung für das menschliche Tun. Was muten wir Menschen unserem Planeten eigentlich zu: mit Massentierhaltung, Müllbergen, Luftverpestung und Atommülllagern, die unsere Nachkommen für Jahrtausende belasten werden?

Allein in meiner Lebenszeit listet Wikipedia 77 Weltuntergangsvorhersagen auf. Sie sind alle nicht eingetreten, und ich vermute: auch die zukünftigen Weltuntergänge, ebenfalls reichlich im Internet nachzulesen - sie finden nicht statt.

Es ist theologisch falsch und politisch gefährlich, die Verunsicherung über das Tun und Handeln der Menschen mit biblischen Bildern zu mischen. Zu leicht könnte man meinen: ich kann doch nichts ausrichten, weil alles abläuft nach göttlichem Ratschluss, letztlich unbeeinflussbar.

Den vorhersehbaren Katastrophen aber werden wir uns als Menschheit stellen müssen, statt kollektiv die Augen vor ihnen zu verschließen. Wenn in den letzten 25 Jahren die Insektendichte um 2/3 dezimiert wurde, wenn jeden Tag 150 Pflanzenarten verschwinden, wenn die Fische am Plastikmüll in den Weltmeeren verenden, dann sind das keine geheimnisvollen Zeichen einer kosmischen Katastrophe. Sondern das sind vermeidbare Folgen menschlichen Handelns.

Wir zerstören unseren Lebensraum in einer Geschwindigkeit, dass nur noch wenig Zeit bleibt umzusteuern. Der Planet Erde überlebt das vielleicht. Aber für uns Menschen wird der Lebensraum eng.

 

Das Ende der Welt wie wir sie kennen schildert Roland Emmerich eindrücklich in dem Film „The Day After Tomorrow“. Darin löst die menschenverursachte Klimakatastrophe eine globale Eiszeit aus und führt zum Zusammenbruch der menschlichen Kultur auf der nördlichen Erdhalbkugel. Die Nordamerikaner, die den Klimawandel wesentlich herbeigeführt haben, müssen bei den Mexikanern um Asyl bitten. Und die Opfer amerikanischer Politik gewähren den Tätern Schutz, eine berührende Botschaft angesichts der aktuellen Situation an der mexikanischen Grenze. Die Erfahrung des Schreckens führt in Emmerichs Film zu einer Katharsis, einer Reinigung. Sie macht die Überlebenden zu geläuterten Menschen.

 

Die Erkenntnis der Sintflutgeschichte ist eine andere. Gott sagt dort: „Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ Der Kampf zwischen Gut und Böse ist in Wahrheit nicht der Kampf mit den anderen, der Kampf findet in jedem einzelnen Menschen statt. Der Mensch ist zu beidem in der Lage, zu Gutem und zu Bösem. Und er ist zu beidem bereit. „Simul iustus et peccator“ – so hat Luther den Menschen charakterisiert. Der Mensch ist gleichermaßen Gerechter und Sünder.

 

Treffen die Menschheit Katastrophen, egal ob selbstverursacht oder durch eine letztlich unbeherrschbare Natur – dann können sie Auslöser für beides sein. Nämlich Menschlichkeit zu entwickeln – oder Selbstsucht. Man kann sich der Prepperszene anschließen und Vorräte anlegen, um das persönliche Überleben abzusichern.

Oder man kann sich gemeinsam den Herausforderungen der Zeit stellen. Es gibt keinen Automatismus, nach dem reagiert werden muss, aber es gibt die Möglichkeit, auch in bedrohlichen Situationen menschlich, das heißt solidarisch zu handeln.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.