Wahrheit

Morgenandacht
Wahrheit
11.03.2015 - 06:35
11.03.2015
Pfarrerin Annette Bassler

 

„Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen.“

 

Das hat Jesus zu seinen Freunden gesagt. Freiheit ist ein herrliches Gefühl… Wenn man in einer Beziehung reinen Tisch gemacht hat, wenn das Herumlavieren, die Heimlichtuerei eine Ende hat. Auch wenn es weh tut: es ist, wie wenn einem eine große Last abgenommen wird.

 

Eine Freundin hat mit ihrer hochbetagten Mutter zum ersten Mal über die Wirren der Nachkriegszeit gesprochen. Und dabei erfahren, dass ihre Mutter vergewaltigt worden ist. Ein Leben lang hat sie sich gefragt, warum die Mutter manchmal so gefühlskalt ist, hat sich selber die Schuld gegeben, hat an ihrer Wahrnehmung gezweifelt. Jetzt versteht sie alles. Und weil sie versteht, ist sie frei. Frei von Verwirrung und Selbstzweifel.

 

Unaufrichtig sind Menschen meist aus Angst. Sie fürchten, mit ihrer Wahrheit abgelehnt zu werden oder in Ungnade zu fallen. Deshalb lügen sie. Und denken: aus dem Sinn, aus der Wirklichkeit. Aber die Lüge wirkt weiter, sie vergiftet das Zusammenleben.

 

Das kann man dort am deutlichsten sehen, wo Krieg ist. Denn- so der amerikanische Politiker Hiram Johnson- das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit.

 

Deshalb kämpft die Journalistin Golineh Atai derzeit in der Ukraine einen erbitterten Kampf gegen einen Journalismus, der sich als Truppe von „Informationskriegern“ versteht. Sie kämpft gegen einen Journalismus, der davon ausgeht: Wahrheit gibt es nicht. Alle wollen mit ihren Berichten nur ihre eigenen Interessen verfolgen.

 

Nach dem Mord am russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow wollen nun alle Seiten die Schuldigen finden und zur Rechenschaft ziehen.

 

 „Informationskrieger“ haben kein Interesse daran, die Wahrheit über diesen Auftragsmord herauszufinden. „Informationskrieger“ werden die Öffentlichkeit mit einer nicht zu klärenden Wahrheitsfrage beschäftigten. Damit niemand über das nachdenkt, worum es wirklich geht: um das mühsame Geschäft, die Gewaltspirale wieder herunterzudrehen.

 

Boris Nemzow war den Mächtigen ein Dorn im Auge, weil er nicht aufgehört hat, zu benennen, was tatsächlich passiert ist. Dass russische Waffen geliefert wurden, um Ländergrenzen zu verschieben. Er hat den Westen ermahnt, die Realität so zu sehen, wie sie ist, auch wenn sie Angst macht.

 

„Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen“, hat Jesus gesagt. Der auch hingerichtet worden ist als einer, der den Mächtigen ein Dorn im Auge war. Jesus aber war nicht darauf aus, die Regierung zu stürzen. Er hat gelebt und ist gestorben dafür, dass Menschen wahrhaftig leben. Aufrichtig sich selber und Gott gegenüber.

 

Solange man Angst hat vor denen, die anderen ihre Wahrheit diktieren, solang man sich von ihrer Anerkennung und Gnade abhängig macht, so lange kann man nicht aufrichtig leben.

 

„Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen.“ (Joh.8.32) hat Jesus gesagt.

Die Wahrheit erkennen- das ist mehr als nur den Unterschied zwischen richtig und was falsch zu wissen. Wahrheit ist eine Haltung. Dass man sich stets um Aufrichtigkeit bemüht. Dass man sich immer wieder zu fragt, ob es richtig ist, etwas zu verschweigen und wen man damit eigentlich schonen will.

 

Jesus spricht von der „herrlichen Freiheit der Kinder Gottes“. Es ist die Freiheit derer, die ihrer Angst nicht das letzte Wort lassen und ihr auch nicht folgen. Weil sie sich lieber vor Gott verantworten. Und Gott vertrauen, dass er sie durch ihre Angst hindurch begleitet.

 

Wir können heute nicht verhindern, dass Kriegstreiber die Wahrheit opfern. Aber wir können dort, wo wir leben und arbeiten, umso mehr darauf achten, aufrichtig zu sein. Lüge benebelt den Geist, aber Aufrichtigkeit hält ihn wach.

 

Denen, die wachsen Geistes sind, hat Jesus versprochen: Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen.

11.03.2015
Pfarrerin Annette Bassler