Das Kreuz mit dem Kreuz

Gedanken zur Woche
Das Kreuz mit dem Kreuz
04.05.2018 - 06:35
01.03.2018
Jörg Machel
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Die Gedanken zur Woche im DLF.

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Es ist ein Kreuz mit dem Kreuz. Schon wie­der und wie im­mer schon. Der Apo­stel Pau­lus sagt über das Kreuz: den ei­nen ist es ein Är­ger­nis, den an­de­ren eine Tor­heit.

 

In Bay­ern droht es ge­ra­de der Lä­cher­lich­keit preis­ge­ge­ben zu wer­den. Ab 1. Juni soll es ver­pflich­tend im Ein­gangs­be­reich je­der staat­li­chen Be­hör­de hän­gen. So hat es die baye­ri­sche Lan­des­re­gie­rung be­schlos­sen. Ei­ner­seits wird es groß ge­macht, soll Iden­ti­tät aus­drüc­ken oder gar stif­ten. An­de­rer­seits wird es in der Be­grün­dung aber auch klein­ge­re­det: zu ei­nem ir­gend­wie kul­tu­rel­len „Be­stand­teil baye­ri­schen Brauch­tums“, ne­ben Le­der­ho­se und Bier­maß also.

 

Viel­leicht fehlt mir als Bran­den­bur­ger, noch dazu als ei­ner, der in der DDR auf­ge­wach­sen ist, der Sinn für sol­che Zei­chen­hand­lun­gen. Mit ei­nem „Glau­bensbekenntnis“, wie ich es ver­ste­he, hat die­se Ak­ti­on der baye­ri­schen Lan­des­re­gie­rung je­den­falls nichts zu tun. Und nun sehe ich mich mit zwei Vor­wür­fen des Ge­ne­ral­se­kre­tärs der CSU kon­fron­tiert: Er klas­si­fi­ziert die Kri­ti­ker die­ses Er­las­ses ent­we­der als „Re­li­gi­ons­fein­de“, oder als „Selbst­ver­leug­ner“.

 

Ich gehe mal da­von aus, dass Mar­kus Blu­me mich, den Pfar­rer, nicht zu den „Re­li­gi­ons­fein­den“ zählt. Dem Vor­wurf, ein „Selbst­ver­leug­ner“ zu sein, möch­te ich mit mei­ner Vita be­geg­nen.

An der Er­wei­ter­ten Ober­schu­le trug ich das Zei­chen der Jun­gen Ge­mein­de am Re­vers, das Kreuz auf der Erd­ku­gel. Ich war der ein­zi­ge Christ in mei­ner Schul­klas­se und im­mer, wenn mir die athei­sti­sche Gleich­schal­tung zu pe­ne­trant wur­de, fühl­te ich mich her­aus­ge­for­dert, Po­si­ti­on zu be­zie­hen. Ir­gend­wann wur­de ich vor den Di­rek­tor zi­tiert. Der er­klär­te mir, dass sol­che Be­kennt­nis­zei­chen in der Schu­le nichts zu su­chen hät­ten. Also nahm ich das Kreuz beim Be­tre­ten der Schu­le ab und leg­te es wie­der an, wenn ich auf die Stra­ße trat. Das fand Be­ach­tung und das ge­nüg­te mir. Be­son­de­rer Mut ge­hör­te nicht dazu, aber es war im­mer­hin eine Hal­tung im Ge­gen­wind.

Das Kreuz zei­gen und ein Kreuz ha­ben, das ge­hört für mich zu­sam­men.

 

Es ist ris­kant, mit dem Kreuz Par­tei­po­li­tik zu ma­chen – und des­halb will ich dar­an er­in­nern, zu wel­chen Kon­se­quen­zen das Kreuz her­aus­for­dert. Denn Jesu Er­war­tung an sei­ne Jün­ger ist hoch, for­dert er doch: „Wer mir nach­fol­gen will, der ver­leug­ne sich selbst und neh­me sein Kreuz auf sich und fol­ge mir nach.“ (Mk 8,34) Wel­chen An­spruch er­hebt also das Zei­chen des Kreu­zes für die Ar­beit in so ge­kenn­zeich­ne­ten Amts­stu­ben?

 

Zu­nächst: Der ein­zel­ne Mensch war Je­sus im­mer wich­ti­ger als die Norm. Das Miss­trau­en sei­ner Fein­de hat er durch Lie­be und Ver­trau­en über­wun­den, nicht durch Dro­hun­gen. Seinen An­hän­gern riet Je­sus, ih­ren Reich­tum an Be­dürf­ti­ge zu ver­schen­ken, für Frem­de for­der­te er Gast­recht. Dar­an den­ke ich, wenn ich auf das Kreuz schaue, und ich fra­ge mich, wie amt­li­che Ent­schei­dun­gen wohl aus­se­hen wer­den, die un­ter die­sen Prä­mis­sen getroffen werden.

 

Je­sus war von ei­ner Güte und Zu­ge­wandt­heit, die mich als Chris­ten be­schämt und mir mei­ne Klein­lich­keit, mei­ne Be­grenzt­heit vor Au­gen führt. Im­mer wie­der fra­ge ich mich, ob ich der Her­aus­for­de­rung des Kreu­zes letzt­lich ge­wach­sen bin? Wer­de ich mei­nem Näch­sten wirk­lich zum Näch­sten, so wie der barm­her­zi­ge Sa­ma­ri­ter? Oder schlei­che ich mich ein­fach nur an der Not vor­bei, wie mein Prie­ster­kol­le­ge im Gleich­nis Jesu?

 

Ich emp­fän­de es als gute Er­gän­zung, wenn Kir­chen­ge­mein­den in Bay­ern un­ter die vie­len neu mon­tier­ten Kreu­ze die­ses Ge­bet von Do­ro­thee Söl­le aus­le­gen wür­den:

 

Leh­re uns min­der­heit wer­den gott

in ei­nem land das zu reich ist

zu frem­den­feind­lich und zu mi­li­tär­fromm

paß uns an dei­ne ge­rech­tig­keit an

nicht an die mehr­heit

be­wah­re uns vor der har­mo­nie­sucht

und den ver­beu­gun­gen vor den gro­ßen zah­len (1)

 

 

 

Was be­deu­tet das Kreuz Ih­nen? Sie kön­nen mit­dis­ku­tie­ren, bei Fa­ce­book un­ter: „deutschlandradio.evangelisch“.

 

Literaturhinweis:

  1. "Minderheiten" in: Dorothee Sölle, Loben ohne lügen, Gedichte (c) Wolfgang Fietkau Verlag 2000

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

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Jörg Machel