Krankenheilungsauftrag

Morgenandacht

Gemeinfrei via unsplash/ National Cancer Institute

Krankenheilungsauftrag
Pfarrer Jörg Machel
11.06.2022 - 06:35
29.01.2022
Jörg Machel
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Die Sendung zum Nachlesen: 

Jesus heilte Kranke, deshalb folgten ihm die Leute. Das begründete seinen Ruf als Mann Gottes. Das könnt ihr auch, so versprach er seinen Jüngerinnen und Jüngern.

 

Davon ist nicht mehr viel zu spüren in den heutigen Kirchen. Nur selten bieten Gemeinden Heilungsgottesdienste an, und sie agieren zumeist verhalten. Eher sind es heute Einzelpersonen, die sich als von Gott zur Geistheilung berufen sehen. Ab und an bekommen die es dann mit dem Staatsanwalt zu tun, weil ihnen enttäuschte Gläubige im Nachhinein Scharlatanerie vorwerfen. Ihnen wurde Heilung versprochen, doch der Erfolg blieb aus. Man hätte Medikamente nehmen sollen, statt auf Hokuspokus zu vertrauen.

 

Das Jesuswort aber bleibt und der Anspruch auch. Der Glaube kann heilen. Christenmenschen können einander zu heilenden Helferinnen und Helfern werden.

Wie das geschehen kann, ohne die medizinische Wissenschaft zu ignorieren und ohne das Erbe der Aufklärung zu verraten, das habe ich besonders in Hospizen erlebt.

 

Das Wort Heilen mag unpassend erscheinen im Zusammenhang der Hospizarbeit. Denn Hospize arbeiten ja nicht mehr kurativ, sondern palliativ. Das heißt, sie sind auf die Linderung der Symptome orientiert und gerade nicht auf Heilung.

Doch schon das „nur“ verkennt den Ansatz der Hospizarbeit. Das „nur“ hat das Defizit im Blick: das, was nicht mehr geht, was vermutlich nie mehr gehen wird. Im Hospiz schaut man auf das, was noch möglich ist. Und das ist erstaunlich viel.

 

Bewohnerinnen und Bewohner im Hospiz erfahren keine Heilung im medizinischen Sinne, aber sie erleben Heil. Sie erleben immer wieder, dass trotz ihres körperlichen Verfalls etwas in ihnen gesundet. Und das liegt an den besonderen Verhältnissen, mit denen den Sterbenskranken in einem Hospiz begegnet wird.

 

Zunächst: man konzentriert sich in der Therapie nicht mehr darauf, gegen einen Krankheitsverlauf anzukämpfen und dabei alle möglichen, die Lebensqualität einschränkenden Begleiterscheinungen in Kauf zu nehmen. Stattdessen orientiert man sich darauf, die Schmerzen zu lindern und dabei, soweit es möglich ist, das Bewusstsein wach zu halten. Und wieder richtig zu leben, trotz aller Beschwernisse.

 

Dabei weiß man: schmerzfrei und wach genügt nicht, um dem letzten Lebensabschnitt etwas abgewinnen zu können. Wer einfach nur schmerzfrei und wach dem Tod entgegengeht, für den ist nicht viel gewonnen.

 

Leben im Hospiz bedeutet, umsorgt zu sein von engagierten Menschen. Da sind Leute, die mit einem reden. Menschen, die in der Küche bereitstehen, um die Lieblingsspeise zuzubereiten, selbst wenn am Ende nur noch gerochen und gekostet werden kann.

Und die geistliche Begleitung gehört zu einem gut geführten Hospiz auf diesem überschaubar kurzen Weg des Abschiednehmens dazu. Dabei respektiert man den religiösen wie auch den nichtreligiösen Hintergrund des Gastes.

 

Man hört zu. Geht mit und hält aus, was den Sterbenden, der Sterbenden in dieser letzten Lebensphase bewegt. Welche Bilder, welche Erinnerungen, welche Ängste und Verletzungen sind da und wollen ausgesprochen werden? Welcher Dank muss noch einmal gesagt werden? Beides gehört zum Menschen und zum Leben. Und heil ist auch, wer nichts davon mehr unterdrücken muss.

 

Doch nicht nur in Hospizen, auch in ganz gewöhnlichen Krankenhäusern beginnen die auf Genesung orientierten Mediziner zu begreifen: Heilung hat eine spirituelle Dimension. Und die vermag den Behandlungserfolg ganz wesentlich zu unterstützen.

 

Ich denke, dass wir Christenmenschen dem Jesuswort, bei aller gebotenen Bescheidenheit, mutiger vertrauen sollten: Wir alle können einander zu Heilerinnen und Heilern werden, ganz ohne Hokuspokus.

Es gilt das gesprochene Wort.

29.01.2022
Jörg Machel