Märchenhochzeit

Morgenandacht
Märchenhochzeit
Morgenandacht 30.11.
30.11.2019 - 06:35
18.07.2019
Silke Niemeyer
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Bei uns im Münsterland gab es Riesenaufregung über einen katholischen Priester, der neu in seiner Gemeinde war. In den sozialen Medien kochte der Zorn über. Dann in der Lokalzeitung Leserbriefe über Leserbriefe. Was hatte er getan? Er hatte Nein gesagt. Nein zu dem Wunsch, dass der Vater die Braut zum Altar führt. Ja, da war was los! Seine Gründe wurden im Empörungseifer kaum noch gehört.

Der Pfarrer findet, dass dies nicht der Realität der Paare entspricht, die meist schon lange zusammenleben, und dass es der lang erkämpften Gleichberechtigung der Frauen widerspricht sich vom Vater dem Ehemann übergeben zu lassen. Er möchte, dass die Symbolik im Traugottesdienst diese Gleichberechtigung und Selbständigkeit der Frau zum Ausdruck bringt.

 

Die mittlerweile gängig gewordene Einzugschoreografie ist noch sehr jung. Vormals schritt das Brautpaar selbstverständlich Seite an Seite zum Altar. Aber seit den 1990er Jahren hat sich etwas durchgesetzt, was viele fälschlich für uraltes hiesiges Brauchtum halten. Die Braut wird vom Vater nach vorn zum Bräutigam geführt. Und wo kein Vater zur Hand ist, ist es jemand anders, der Bruder oder der Trauzeuge oder, so wie bei Meghan Markle, der Schwiegervater, nie aber z.B. die Mutter oder Schwester oder Freundin. Erst recht gibt es die umgekehrte Variante nicht, nämlich dass der Bräutigam von der Mutter geführt wird. Lustig jetzt? Warum eigentlich?

 

Der Wunsch nach dieser Art Einzug der Braut ist in der Zeit aufgekommen, als die Fernsehnation von Dallas und Denver oder anderen amerikanischen Erfolgsserien in Bann gezogen wurde. Hollywood lieferte immer schon Stoff für Träume und lieferte jetzt auch den Stoff für die Vorstellungen von Traumhochzeiten.

Uns jungen Pfarrerinnen, die sich gerade ihren Platz in der Männerkirche erobert hatten, standen Augen und Mund offen, als Bräute mit dieser Vorstellung ins Traugespräch kamen, und wir dachten: „Sind die denn verrückt geworden, so eine Rolle rückwärts ins Patriarchat zu veranstalten. Nein, das machen wir nicht mit.“

Aber wir haben es mitgemacht. Ich jedenfalls nach anfänglichem vergeblichem Mundfusseligreden. Warum? Weil mein Widerstand gegen das, was bereits fest zum Traum einer perfekten Trauung gehörte, die jungen Frauen verletzte. Sie fühlten sich missachtet und bevormundet, abgewertet und abgelehnt. „Typisch Kirche“ fanden sie das. „Die hört nie darauf, was die Leute sich wünschen.“

Man muss sich klarmachen, dass Hochzeitsvorbereitungen hochemotional sind und gar nicht selten Konflikte in den Familien des Brautpaars heraufbeschwören darüber, wer was darf, muss oder soll.

 

Ich habe mich deshalb irgendwann entschieden nicht in den Machtkampf zu gehen. Für Gleichberechtigung kämpfe ich an anderer Stelle. Ich will den Paaren schließlich eine schöne, stärkende und persönliche Feier bereiten. Dazu brauche ich ihr Vertrauen, damit sie mir von sich erzählen und damit ich gute, aufrichtige Worte finden kann. „Das ist eine ganz schön heikle Inszenierung“, darauf mache ich sie immer aufmerksam und sage, dass die Hand der Braut bitte nicht vor dem Altar von Männerhand in Männerhand gelegt wird. Manchmal merken sie das erst dann, und manchmal ändern sie ihre Pläne sogar. Aber ich schaue mir den Wunsch der Braut liebevoll an und entdecke, dass sie einfach nur gern durch das Kirchenschiff langsam auf ihren Mann zuzugehen möchte. Es geht mehr um die spannungsvolle Annäherung der beiden, weniger um den Abschied vom Vater.

 

Dennoch, liebe Frauen, traut euch doch zu, den Weg selbständig ohne Männerbegleitung zu gehen, wenn es euch gar nicht so sehr auf den Abschied vom Vater ankommt und erst recht dann, wenn der gar nicht da ist.

 

Was dem katholischen Kollegen widerfahren ist, zeigt, wie hoch der angesammelte Frust über die Kirchen ist, die so lange so arrogant bevormundet haben. Die Wut darüber hat er abbekommen. Trotzdem habe ich einen Wunsch: Dass Pfarrerinnen und Pfarrer, die diesen Brauch problematisieren und das so patriarchale Gesicht der Kirche ändern möchten, nicht mit Dreck beworfen werden. Der nämlich verschmutzt die guten Gründe und schafft nur neuen Frust.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

18.07.2019
Silke Niemeyer