Nein-Sagen kostet

Wort zum Tage

Gemeinfrei via unsplash/ Sunguk Kim

Nein-Sagen kostet
Für Frieden in der Ukraine-Krise
26.02.2022 - 06:20
11.01.2022
Ulrike Greim
Sendung zum Nachhören
Feedback zur Sendung? Hier geht's zur Umfrage! 
Sendung zum Nachlesen:

Es gab nicht viele Situationen, in denen sein Vater laut wurde. Aber als er und sein Bruder einmal anfingen, mit Fingern Pistolen zu formen und – peng peng – zu schießen, und sich lachend zu verstecken, da ist dem Vater der Kragen geplatzt. „Es wird hier nicht geschossen. Auf keinen Fall. Niemals.“

Die Jungs haben damals nicht verstanden, warum Papa plötzlich so heftig wurde. Später hat er es erklärt. Sein Vater, also der Opa der Jungs, war an der Ostfront Soldat. In dem Gebiet der heutigen Ukraine. In genau der Region, um die es jetzt gerade wieder geht. Er war an der vordersten Kampflinie. Als er einen verletzten Kameraden nach einem russischen Angriff nach hinten ziehen wollte, weg von der vordersten Linie, da sei der Kurt erschossen worden, so haben es Überlebende hinterher der Familie geschildert.

Michaels Vater hat lange gebraucht, aber dann verstanden: Krieg darf um Gottes Willen nicht sein.

Deswegen hat er seine Söhne streng erzogen, Konflikte anders zu lösen als mit Gewalt. Für Michael war es dann aus eigenem Nachdenken heraus auch gar nicht anders möglich, als den Dienst mit der Waffe zu verweigern. Auch wenn ihm das etwas kostete. In dem Fall: das Abitur und das Studium. So war das in der DDR. Strenge Anhörung, handfeste Konsequenzen, Schikanen.

Nach der Wende hat Michael das Abitur nachgeholt und Kommunikationswissenschaften studiert. Wie schafft man Gespräch? Wie kommen Menschen in Dialog? Sein Lebensthema.

Jetzt sieht Michael die Bilder, hört die Nachrichten, und es ist plötzlich ganz nah.

Die Ukraine, der Soldaten-Opa. Wieder Kriegslogik, die nur ins Elend führt. Wieder der Opfermythos der der Angreifer. Wieder die Rechtfertigung von schwerer Gewalt.

Und in ihm ist dieser Satz ganz groß: Krieg darf um Gottes Willen nicht sein.

Er kann es gut lesen, wenn die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, nun sagt: „Wir weigern uns zu glauben, dass keine Chancen mehr auf Verständigung und für einen gerechten Frieden bestehen.“ Und dass die Kirchen hier mit den Kirchen dort alles tun wollen, um konstruktiv zu reden.

Es muss doch möglich, diese Aggression zu unterbrechen, wie mit dem Vater laut „Stopp“ zu rufen, und zu sagen, was nicht sein darf. Und die guten Worte zu finden, die den Wahnsinn stoppen und dem Frieden wieder eine Tür aufmachen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

11.01.2022
Ulrike Greim