Ulrike

Wort zum Tage

Gemeinfrei via Unsplash/ Jo Sonn

Ulrike
von Ulrike Greim
10.03.2023 - 06:20
01.02.2023
Ulrike Greim
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Am Tag vier vor der Fastenwoche höre ich auf, Kaffee zu trinken, ab Tag drei esse ich fleischlos, ab Tag zwei fällt auch der Käse weg. Am Tag vorher: nur noch Obst und Gemüse. Entlastungstage nennt sich das. Ich werde fasten. Hab‘ ich schon öfter gemacht und tue es gern.

Wir treffen uns auf einer Burg im Süden Thüringens. Ein paar Freundinnen und ich.

Es gibt ein letztes leichtes Abendessen – Salat, Knäckebrot, Tee. Wir schnattern ohne Ende.

Am nächsten Tag sind wir sofort im Fastenmodus. Statt „Energie kommt von außen“ heißt es jetzt: „Es geht an die Reserven“.

Ich will leer werden und reinemachen.

Mittags gibt es eine Gemüsebrühe. Die meisten von uns genießen es.

Mittagsruhe mit Leberwickel. Nachmittags Tee in heiterer Runde. Dann gehen wir raus.

Abends noch ein wenig Gemüsesaft, aber sehr verdünnt. Wir trinken es vergnüglich.

Der zweite Tag ist super. Wir erfahren: Mit dem Mangel kommt der Mensch gut klar, mit dem ständigen Überfluss nicht. Der Körper braucht Leerlaufzeiten zum Regenerieren. Hat er die nicht, wird er krank.

Auch die Seele will loslassen.

Wir lesen dafür Psalmen, die wundersamen Gebete der Bibel. Archaisch schön -

mal fremd und mal hautnah.

Am dritten Tag kommt die Fastenkrise. Mein Kreislauf will nicht recht, der Kopf brummt. Das morgendliche „einmal den Berg hoch“ wird zur Tortur. Ich gönne mir Ruhe.

Tag vier: Ich bin über den Berg. Der Körper arbeitet. Ich fühle mich wohl und leicht.

Ich vermisse nichts.

Wir schreiben eigene Verse. Inspiriert von den Psalmen. Und wir staunen: Das hilft enorm, den Ballast von der Seele schreiben. Von den brüllenden Löwen, von der Angst, die im Dunklen schleicht.

Tag fünf: Die Haut wird rosiger, die Stimmung heller. Alle sind entspannter, wir lachen viel.

Und reden über Essen, leckerste Gerichte, wir tauschen Rezepte aus.

Tag sechs: Ich fühle mich leicht und erfrischt wie schon lange nicht mehr.

Mittags: Fastenbrechen mit einem Bratapfel. So köstlich! Wir feiern es. Wer sechs Tage verzichten kann, kann alles, sagen wir uns, und stoßen mit verdünntem Saft an. Abends: ein wenig gedünstetes Gemüse. Lecker. Die Sinne sind deutlich geschärfter. Tag sieben: Wir stehen in der Kapelle der kleinen Burg und lesen uns unsere Stücke vor. Selbstgeschriebene Psalmen. Viele Tränen rollen, wir teilen unser Leid, unseren Schmerz, aber auch unser Glück, unsere Leidenschaft, unseren Glauben. Reinemachen für die Seele. Die geistlichen Selbstheilungskräfte sind aktiviert.

Wir verabschieden uns fröhlich, gestärkt, verbunden. Alle sagen: gerne wieder.

Ich fahre mit 80 tiefenentspannt über die Autobahn heim, lasse die anderen gern an mir vorbeiziehen.

Zuhause angekommen fühle ich mich jünger. Und genieße jeden guten Bissen umso mehr.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

01.02.2023
Ulrike Greim