Vielfalt. Das Beste gegen Einfalt.

Wort zum Tage
Vielfalt. Das Beste gegen Einfalt.
28.09.2015 - 06:23
25.06.2015
Pfarrerin Johanna Friese

Seit 40 Jahren gibt es sie – die Interkulturelle Woche. Inzwischen ist sie gut in Kirche und Gesellschaft angekommen. 5000 Veranstaltungen in über 500 Städten und Gemeinden. Das Motto in diesem Jahr: „Vielfalt. Das Beste gegen Einfalt.“

 

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Viele glauben, dass dies derzeit unser wichtigstes Problem sei.[1]

 

Die meisten Menschen, die ihre Heimat verlassen, treten eine gewagte Reise an. Im Gepäck haben sie nichts als Sehnsüchte und Ängste. Besser leben wollen sie, oder einfach überleben.

 

Und dann erfahren sie Misstrauen und Hass, ohne dass man überhaupt nach ihren Geschichten gefragt hat. Fremdenfeindliche Pöbeleien im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften oder im Internet sind das Eine.

 

Zum Glück verhalten sich sehr viel mehr Menschen anders. Noch mehr Licht sollte auf die fallen, die etwas für Flüchtlinge tun. Hosen und Hemden in die Sammelstellen tragen, den neuen Nachbarn Deutsch beibringen und ihren Kindern wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Vereine organisieren ein Sport- und Freizeitprogramm. In Deutschland ist die Solidaritätsbewegung für Flüchtlinge so groß wie noch nie. All die Engagierten beweisen, dass positive Energie mehr trägt als ängstliche Zurückhaltung. Und wie tief unsere Werte verankert sind. Dass wir gut zusammen leben wollen. Nach der Devise der Nächstenliebe: Behandle deinen Mitmenschen so, wie du selbst behandelt werden möchtest.

 

Auf dem Plakat zur Interkulturellen Woche sehe ich fünf Klingelschilder. Anders als bei einem normalen Klingelschild, sind dort nicht Namen, sondern Gesichter zu sehen: Junge und Alte, Familien, einzelne Bewohner, weiß, schwarz, gelb – sie alle kommen mit ihren Lebensgeschichten.

 

Was wir alle gemeinsam haben, ist der Wunsch nach einem Zuhause.

 

Die Bibel erzählt, dass auch schon die ersten Christen darum ringen mussten, wie sie miteinander leben können und sich ein gemeinsames Zuhause aufbauen. Misstrauen und Unsicherheit waren auch damals weit verbreitet: Wer gehört zu uns, wer ist fremd? Muss jemand Bedingungen erfüllen, der neu dazukommt?

 

Der Epheserbrief empfiehlt, dabei an etwas zu denken: „ihr seid Gottes Hausgenossen.“ (vgl. Epheser 2,19). Das ist ein starkes Bild, mit dem jegliche Trennung überwunden werden soll. Gottes Haus hat ein Fundament und viele Wohnungen.

 

Die Interkulturelle Woche schafft mit ihren bundesweiten Veranstaltungen eine Kultur der Begegnung. Wer sich kennen lernt, sieht über die eigenen Grenzen hinweg. Wer andere verstehen will, tappt nicht in die Falle von Vorurteilen.

 

Ich wünsche mir ein solches menschliches Deutschland. Da ist viel Platz – für dich, für mich. Für alle.

 

[1] 46 Prozent laut Umfrage unter 1554 Befragten ab 15 Jahre, in: Der Tagesspiegel, 6. September 2015, S.35.

25.06.2015
Pfarrerin Johanna Friese