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Die Sendung zum Nachlesen:
Noch schnell in die kleine Bäckerei bei mir ums Eck, zwei Croissants zum Frühstück. Die Besitzerin hat immer einen Scherz auf den Lippen, aber heute stimmt was nicht. Ich bin irritiert und brumme was von „…endlich Freitag“ und „Schönes Wochenende“, da bricht es aus ihr heraus: „Wochenende?! Denkste! Die Steuer, die Belege, das kleine Kind, seit heute Früh um fünf bin ich wach, alles wird teurer, Termine, Fristen, seit Januar geht da so, ich weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht! Ich will bloß noch meine Ruhe!“
Meine Bäckerin ist nicht die einzige. Mir kommt es so vor, als sei alle Welt erschöpft. Erschöpft vom Alltag. Kinder in den Kindergarten, im Beruf präsent sein, fit sein, innovativ. Dann einkaufen. Die Preise im Supermarkt schießen in die Höhe, zu den Tafeln kommen immer mehr Menschen und es fehlen die Spenden. In Deutschland sind so viele Rentner und Rentnerinnen wie noch nie auf Grundsicherung angewiesen.
Wir sind erschöpft von den rasanten Veränderungen. Chat GPT. Twitter. Mastodon. TikTok. Insta. Facebook? Total out! Wie, du hast noch Festnetztelefon?!
Wir sind erschöpft von der Weltlage. Der Krieg in der Ukraine dauert eineinhalb Jahre. Krieg in Europa. Bisher war das irgendwie weiter weg…Wann wird dieser Krieg enden? Wie wird er enden? Mit Abermillionen Toten und einem zerstörten Land? Was bedeutet eigentlich „Frieden“?
Wir sind erschöpft von den gesellschaftlichen Diskussionen, wie man mit dem veränderten Klima umgeht, von dem Streit ums Heizungsgesetz, von den hetzerischen Schlagzeilen. Alle haben eine ziemlich kurze Zündschnur, es wird beschimpft statt zugehört.
Und wir sind noch erschöpft von Corona, dem Schock des plötzlichen Todes, der Hilflosigkeit, der Isolation, dem unmöglichen Abschied, der Angst um die eigene Gesundheit.
Was macht man, wenn man erschöpft ist? Man dreht sich immer weiter, bis man hohl dreht. Oder man sucht sich ein ruhiges Plätzchen, legt sich hin und schläft. In einer Erzählung im Markusevangelium macht Jesus genau das. Die Woche war anstrengend, er hat mit vielen Menschen geredet, zugehört, geheilt, er hat sich mit den religiösen Funktionären gestritten und mit der eigenen Familie überworfen. Jetzt sitzt er mit seinen Freunden, den Fischern in einem Boot auf dem See. Endlich Ruhe!
Denkste! Ein Sturm zieht auf, die Wellen schlagen ins Boot, die Männer werden panisch. Und Jesus? Hat sich‘s gemütlich gemacht auf einem Kissen und schläft mitten im heftigsten Sturm. Oh Mann, ich merke, dass ich auch müde bin. Erschöpft. Um mich herum tobt es, aber ich bleibe liegen. Das tut mir gut. Ich bin nicht für alles verantwortlich. Ich muss die Welt nicht retten, ich muss nicht alle Probleme lösen. Ich tue was ich kann, aber jetzt ist Pause.
Im Boot müssen die Männer Jesus regelrecht wecken, so tief schläft er. Er bedroht den Wind, spricht zum Meer: Schweige! und der Wind legt sich und es wird eine große Stille. Ein Sehnsuchtswort für alle Erschöpften: Stille!
In die Stille stellt Jesus zwei Fragen: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben? Das hängt doch irgendwie zusammen: aus meiner Furchtsamkeit heraus meine ich, immer handeln zu müssen, immer alles lösen zu müssen. Wie wäre es, dass einem Größeren zu überlassen? Einer, der die Stürme des Lebens beherrscht. Gott ist kein Schicksalsgott, dem es Spaß macht, die Menschen in Schwierigkeiten, ja sogar in Todesnähe zu bringen. Gott interessiert sich für uns Menschen und unser Leben, Gott ist solidarisch mit uns. Gott sitzt im gleichen Boot.
Ich spüre, wie sich die Verspannung löst. Ich bleibe einfach liegen, bis ich merke, dass ich nicht mehr liegenbleiben möchte, dass ich nicht mehr liegenbleiben kann, weil die Batterien wieder voll sind, weil ich wieder neugierig bin auf das Leben, mein Leben, das der Menschen um mich herum: wie geht‘s eigentlich meiner Bäckerin?!
Es gilt das gesprochene Wort.