Jerusalem ist allen dreien heilig: dem Judentum, Christentum und dem Islam. Eine Gemeinsamkeit, die trennt, statt zu verbinden.
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Jerusalem, die Stadt der drei abrahamitischen Religionen. So kann man sagen, wenn man versöhnlich unterwegs ist. Jede dieser Religionen - Judentum, Christentum und Islam - findet aber auch Gründe, diese Stadt allein für sich zu beanspruchen.
Das Judentum kann sich auf die Bibel und eine über 2000 Jahre wachgehaltene Tradition berufen, nach der dies, die ihnen von Gott zugewiesene Heimat ist, seit alters her und für alle Zeit.
Für die Christen ist Jerusalem der Ort der Auferstehung Jesu. Die Stadt, in der vom Einzug am Palmsonntag bis zur Kreuzigung am Karfreitag die ganze Dramatik der Karwoche Station für Station nachvollziehbar ist.
Der Islam hat mit der großen Moschee auf den Trümmern des alten jüdischen Tempels ein klares Signal gesetzt. Er ist die jüngste der drei Religionen und beansprucht, nicht weniger als die beiden anderen, die letztgültige Offenbarung der göttlichen Wahrheit für sich. Die entscheidende Frage ist nun, ob man seiner Wahrheit treu bleiben kann, ohne die anderen ins Unrecht zu setzen.
Eine sehr schöne Antwort liefert Yann Martel in seinem Buch "Schiffbruch mit Tiger". Darin erzählt der junge Inder Piscine Molitor Patel, genannt Pi, von seiner Begegnung mit dem Hinduismus, dem Christentum und dem Islam. Nie sind es Glaubenssätze, die ihm diese Religionen näherbringen. Es ist die Begegnung mit einzelnen Menschen, die ihren Glauben überzeugend leben. Kompliziert wird es erst, als diese wunderbaren Menschen davon erfahren, dass Pi auch aus der Begegnung mit anderen Religionen Inspiration und Lebenskraft zieht.
Den eigenen Glauben mit Selbstbewusstsein leben und den anderen Religionen ein gleiches Recht zuzugestehen, das ist keine leichte Aufgabe, wenn man all die Verbrechen im Kopf hat, die sich die Religionsgemeinschaften gegenseitig angetan haben.
Unmöglich wird ein gutes Miteinander, wenn man aus dogmatischen Überlegungen eine Dominanz der eigenen Glaubensrichtung ableitet. Wenn man die Verheißungen der Urschriften in politische Programme verwandelt und die Bilder des Glaubens in fixierte Wahrheiten übersetzt.
Gott hat uns die Erde nach meinem Glauben nicht nach Volksgruppen und Glaubensrichtungen zugeteilt. Die Erde gehört der ganzen Menschheit, der ganzen Schöpfung. Und wir müssen sie so gestalten und bewahren, dass wir den Raum und die Ressourcen teilen miteinander und nebeneinander. In Jerusalem, in Berlin, in Mumbai und wo auch immer.