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Die Sendung zum Nachlesen:
Eine wunderbare Hymne auf die Liebe hat der Apostel Paulus verfasst in seinem Brief an die Gemeinde in Korinth. Seine Worte wirken bis heute nach. In einer Übertragung von Jörg Zink klingt das Hohe Lied auf die Liebe so: (1)
„Die Liebe hat Zeit. Sie liebt mit langem Atem. Sie ist freundlich.
Sie erzwingt nichts und nimmt den Geliebten, wie er ist.
Sie fällt nicht auf und stellt sich nicht zur Schau.
Sie verletzt nicht. Sie greift nicht an.
Sie sucht keinen Gewinn.
Sie wird nicht bitter durch bittere Erfahrung. ...
Die Liebe trägt alles. Die Liebe glaubt alles. Die Liebe hofft alles.
Sie beugt sich der Last und bleibt geduldig gebeugt.
Unvergänglich ist die Liebe. ...
Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei.
Aber die größte unter ihnen ist die Liebe.“
Unvergängliche Liebe? Alles tun und ertragen in Liebe – immer? Schön gesagt, aber irgendwie auch realitätsfern. Scheitern vorprogrammiert. Wie schnell kommen wir an die Grenzen unserer Geduld. Und auch an das Ende der Liebe? Echt schwierig.
In jeglicher Beziehung …
Ausgerechnet eine Ausmistaktion von Kinderspielzeug und Kinderbüchern hat mir hier auf die Sprünge geholfen. Da habe ich es nämlich wiederentdeckt – das Bilderbuch: „Mama, hast du mich lieb?“ (2)
In kindlich-einfachen Sätzen und mit prachtvoll-bunten Bildern wird darin erzählt, wie ein kleines Mädchen die Geduld seiner Mutter und die Grenzen ihrer Liebe ausreizt.
Die Geschichte spielt in der Arktis, in der fremdartigen Lebenswelt der Inuit. Sie wurde in 15 Sprachen übersetzt und millionenfach verkauft.
Einfach schön, dachte ich, als ich das Buch durchblätterte. Das miste ich nicht aus. Das behalte ich. Nicht nur für meine Enkel... Da ist das kleine Mädchen – im bunt gemusterten Kleid, mit schwarzen Zöpfen, das sich an seine Mutter kuschelt und fragt. Und immer weiter fragt, ob und ob wirklich und wie sehr und wie lange es die Mutter liebhat.
Und da ist die Mutter – auch mit schwarzen Zöpfen, auch traditionell farbenfroh gekleidet, groß und zärtlich, die gelassen antwortet: Ich hab dich lieber als der Wal seinen Wasserstrahl. Hab dich lieb, bis unser Walfangboot in den Himmel fliegt. Bis die Sterne am Himmel zu Fischen werden. Aber die Fragerei der kleinen Tochter, das Näschen hochgereckt, geht immer weiter: Was, wenn sie aus Versehen die kostbaren Schneehuhneier fallen lassen oder mit Absicht einen Lachs in den Parka der Mutter stecken oder Wasser in die teure Öl-Lampe gießen oder in der Nacht einfach mal weglaufen würde – was dann? Die Mutter – immer noch geduldig, aber jetzt auch ein bisschen streng, die Arme in die Hüften gestützt – weitet immer weiter ihre Liebe: Sie wäre traurig. Sehr traurig. Würde sich ärgern. Sehr ärgern. Sich Sorgen machen. Viele Sorgen. Aber: Sie würde ihr Kind weiter liebhaben. Bestimmt.
Dann die provokative Spitze: „Und wenn ich mich in einen Eisbär verwandeln würde und der böseste Bär wäre, den du je gesehen hast, und wenn ich scharfe, weiße Zähne hätte? Wenn ich dich in dein Zelt jagen würde und wenn du weinst?“
„Dann wäre ich sehr überrascht und sehr erschrocken. Aber in dem Bär innen drin wärest du immer noch du. Und ich hätte dich lieb … für immer und alle Zeiten, weil du meine Tochter bist ...“
Und die Mutter wirbelt ihr Kind samt Stoffpuppe durch die Luft. Fliegende Zöpfe und wehende Kleider. Und fröhlich hüpfende Seelen.
Bei aller Fragerei, trotz Frechheiten und Frust, auch wenn’s mal hart auf hart geht in der Beziehung: Innen drin - du immer noch du.
So gesehen: Vielleicht hört sie ja wirklich nicht auf, die Liebe ...
Es gilt das gesprochene Wort.
Literaturangaben:
(1) Jörg Zink, Was bleibt, stiften die Liebenden. Kreuz Verlag, Stuttgart 1979, 9f.
(2) Barbara M.Joosse, Mama hast du mich lieb? Illustrationen von Barbara Lavallee. Deutsch von Mirjam Pressler. Ars Edition, München 1995.