Ist es recht, dass man Steuern zahlt? (Mt 22,15-22)

Gedanken zur Woche

Gemeinfrei via unsplash.com (Jordan Rowland)

Ist es recht, dass man Steuern zahlt? (Mt 22,15-22)
Gedanken zur Woche mit Pfarrerin Silke Niemeyer
25.01.2019 - 06:35
13.12.2018
Silke Niemeyer
Über die Sendung

Die Gedanken zur Woche im DLF.

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Ist es recht, dass man Steuern zahlt, oder nicht?

Mit dieser Frage kann man immer für die schönste Aufregung sorgen.

Diese Woche ist die Frage wieder aufgetaucht. „Konzerne zahlen zu wenig Steuern in der EU“ (1) hieß es in den Schlagzeilen. Gesetzlich müssen Konzerne in Deutschland 30% Steuern zahlen, faktisch sind es aber nur 20%. Und das ist vergleichsweise noch gut. In Luxemburg ist das Verhältnis von Gesetz und Wirklichkeit 29% zu 2%. Allerdings: Alle Aufregung darüber versank im weichen Timbre der französisch-deutschen Freundschaftsreden. Und es geht ja auch nicht um Steuerbetrug, sondern um ganz legale Abschreibungen und Deals, die Europäische Staaten mit Unternehmen treffen.

 

Ist es recht, dass man Steuern zahlt, oder nicht?

Die Frage ist biblisch. Und tückisch, auch dort schon. Die Pharisäer und Herodianer stellen Jesus diese Frage im Tempel. Grob gesagt sind das die Traditionalisten und die Liberalen. Die konservativen Pharisäer halten gar nichts vom römischen Staat und seinen Gesetzen. Die Herodianer sind dagegen große Anhänger der freizügigen römischen Denk- und Lebensweise. Hier tun sie sich zusammen und führen Jesus aufs Glatteis mit der Steuerfrage. Wie er auch antwortet, er ist geliefert, entweder für die einen oder die anderen. Überliefert ist Jesu Antwort: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist. Der Ausspruch ist zum Sprichwort geworden und besagt angeblich: Der Obrigkeit gegenüber seine Pflicht und Schuldigkeit tun sowie pünktlich und ehrlich seine Steuern zahlen, das ist brave Christenpflicht. Jesu Antwort wird zur höheren Weihe benutzt für die Ruhe als erste Bürgerpflicht und die Ethik des ehrbaren Kaufmanns.

 

Das Modell funktioniert aber in der modernen Wirtschaft nicht mehr. Man glaubt nicht an Gott und man glaubt auch immer weniger an den Staat und dass der überhaupt ein Recht hat, einem in die Tasche zu packen. Es macht sich die Meinung breit, dass Einkommenssteuer irgendwie unmoralisch ist, sowas ist wie legalisierter Raub des Staates am privaten Eigentum. Und bei Unternehmen gibt’s die Einstellung, dass Steuern vor allem unlautere Wettbewerbs- und Renditehemmnisse sind, die man vernünftigerweise mit Chuzpe umgeht. Vergessen ist dabei, dass die riesigen Mittel für die jahrelange Grundlagenforschung, z.B. für das Internet, aus staatlichem Geld kamen und kommen. (2) Da ist man nicht Melkvieh, sondern Absahner des Staates.

 

Ist es Recht, dass man Steuern zahlt, oder nicht? Ja klar ist das recht! Und es ist unrechtes Recht, wenn Staaten sich zu Komplizen der Unternehmen machen, um sie möglichst zu vermeiden.

 

Jesus, selbst ohne Geld, ließ sich damals eine Münze zeigen, und fragte: „Wessen Bild ist das, ihr Heuchler?“ Hier ist der eigentliche Clou der Geschichte: Sie zeigt das Bildnis des Gottkaisers Tiberius. Ein grober Verstoß gegen das Gebot „Du sollst keine Götterbilder machen“ ist das und ihre Benutzung im Tempel Götzendienst. Die vollständige Antwort von Jesus heißt: „Also gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und gebt Gott, was Gott gehört.“ Er treibt die Frager in die Enge: Gehört Gott doch die Welt, gehört ihm doch alle Ehre und man kann nicht Gott dienen und der Geldvermehrung.

 

Europäische Steuerpolitik ist nun kein Gottesdienst. Aber die Praxis sich in der Union gegenseitig mit Steuerdumping niederzukonkurrieren ist auch kein Dienst an den Menschen und kein Dienst an ihrem Zusammenhalt. Auf unserem Geld ist kein Gottkaiser. Auf jeder Euronote ist eine Brücke. Warum? Das Geld soll ein Mittel der Verbindung und Überbrückung von Gräben zwischen den Nationen sein. Das war die Idee. Schön wär’s. Vor allem am wirtschaftsstärksten Land Deutschland liegt es, allen Freundschaftsverträgen zum Trotz, dass eine gemeinsame Steuer- und Fiskalpolitik scheitert. Das ist im Moment Recht, aber weder billig noch gut. Und vor allem: Das Recht kann man ändern.

 

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Es gilt das gesprochene Wort.

 

 

  1. https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/unternehmenssteuern-gruene-eu-1.4296481
  2. https://www.welt.de/wirtschaft/article134350578/Googles-Algorithmus-ist-aus-Steuergeldern-finanziert.html

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13.12.2018
Silke Niemeyer